Die private Hilfe, wie sie unsere gemeinnützige Gesellschaft seit Beginn des 19. Jahrhunderts anbieten kann, braucht es auch in Zukunft. Immer wieder müssen wir feststellen, dass im Sozial-, im Gesundheits-, im Bildungsbereich sowie bei der Kulturförderung noch vieles verbessert werden muss.
«Euses Land hed eifach enorm Glück g’ha … und de darf mer au chlii grosszügig sii wenn’s drum gohd z’froge: was mache-mer de für die, wo das Glück ned g’ha hend?»
Franz Kurzmeyer, zitiert von Gisela Widmer
Der Hof Rickenbach bietet für Gäste und Mitarbeiter:innen ein umfassendes Angebot. Luzia Hafner (Co-Geschäftsleitungsmitglied), Jadranka Golub (zuständig für Fundraising) und Jeanine Peyer (Lernende Fachfrau Betreuung) im hofeigenen Gewächshaus (von links nach rechts). Foto: Dany Schulthess, Luzern/Emmenbrücke und zvg
2021
Mit Herz durchs zweite Corona-Jahr
Seit Anfang 2020 leben wir unter dem Eindruck der Corona-Pandemie. Dabei wurde uns allen deutlich vorgeführt, wie wichtig die Pflegeberufe in unserer immer älter werdenden Gesellschaft sind. Und wir wurden auch gewahr, dass Applaus alleine nicht die dazugehörende Wertschätzung sein kann. Die überdeutliche Annahme der Pflegeinitiative im vergangenen November zeigt dies klar auf.
Auch 2021 hat die GGL zahlreiche Institutionen und Projekte im Sozialbereich unterstützt wie den Hof Rickenbach in der Luzerner Gemeinde Rickenbach und die Tagesstätte Pilatusblick in Horw. Beide Einrichtungen geben Demenzkranken temporär Heimat und entlasten deren Angehörige in der täglichen Betreuung. Beide Institutionen gehen auf die Initiative einer Frau zurück und in beiden Institutionen arbeiten fast ausschliesslich Frauen, vor allem in der Pflege und Betreuung.
Es ist immer wieder eindrücklich, im Rahmen der Unterstützungen Persönlichkeiten anzutreffen, dank deren Engagement viele Menschen profitieren dürfen. In Horw erkennt eine Sozialarbeiterin den Mangel an Betreuungsplätzen für Demenzkranke und setzt ihr eigenes Geld als Startkapital für die Tagesstätte ein. In Sigigen erkennt eine im Altersheim arbeitende Bäuerin, dass Demenzkranke eine andere Betreuung benötigen als dies in einem herkömmlichen Alterszentrum möglich ist. Sie baut auf ihrem Bauernhof ein Angebot für Erkrankte so erfolgreich auf, dass sie bald viele Anfragen aus Platzmangel ablehnen und sich nach einem grösseren Gebäude umsehen muss. Der Startschuss für den Hof Rickenbach ist gefallen. Beide Initiantinnen schufen nicht nur Pflegeplätze für erkrankte Mitmenschen, sie schufen auch Arbeitsplätze: rund 60 in Rickenbach und 11 in Horw. Viele der Beschäftigten erhielten dadurch die Möglichkeit, wieder ins Berufsleben einzutreten oder neben der Familie beruflich tätig zu sein. Dabei ist auch Benevol, der Einsatz für die Gemeinschaft, für die Gesellschaft, gefragt. In Horw zum Beispiel verdienen alle Mitarbeiterinnen gleich viel: 30 Franken in der Stunde. Das geht nur wenn diese ihr Engagement auch im Gedanken der Gemeinnützigkeit leisten. Und dieses Engagement kann nicht hoch genug wert geschätzt werden.
Unsere Gesellschaft benötigt die Bereitschaft zur Gemeinnützigkeit – nicht nur von Frauen – sei es im sozialen Bereich, in der Kultur, im Sport und in Zeiten der Notlage. Ohne gemeinnütziges Engagement funktioniert unsere Gesellschaft nicht. Sie funktioniert aber auch nicht ohne Pflegende, die neben der Wertschätzung zeitgemässe Arbeitsbedingungen und einen adäquaten Lohn verdienen. Es gilt zu beiden Formen entsprechend Sorge zu tragen.
Die GGL unterstützt die Luzerner Kultur-Szene in ihrer ganzen Breite
Luzern tanzt, Foto Roger Kleger · Apocalypse Now (and I feel fine), Foto Marco Sieber · Professionelles Vokalensemble, Foto Christophe Gindreaux · Unknown Place, Foto Martina Lussi & Anita Zumbühl · Sommerfestival auf Hinter-Musegg, Foto Micha Eicher · ‹Wutschweiger›, Foto Jodok Achermann · Filmcamp für Kinder und Jugendliche, Foto Adriana Berwert · Molto Cantabile, Foto Roger Gruetter
Luzern tanzt: Über 130 Laientänzerinnen und -tänzer aus dem Kanton Luzern glänzten mit ihrem Können auf öffentlichen Plätzen der Stadt. Die Veranstaltung ‹Luzern tanzt› begeisterte Passantinnen und Passanten mit ihrem Tanzparcours vom 6. bis 9. Mai 2021.
Apocalypse Now (and I feel fine): Mit einem Stück zur Klimakrise bespielte das Luzerner Theaterkollektiv Fetter Vetter & Oma Hommage im September 2021 den Park des Alten Krematoriums im Luzerner Friedental.
Professionelles Vokalensemble: Das Ensemble Corund, gegründet 1993, ist das einzige professionelle Vokalensemble der Zentralschweiz. Unter der Leitung von Stephen Smith trat es 2021 im KKL Luzern und in der Matthäuskirche auf.
Unknown Place: Martina Lussi und Anita Zumbühl stellten in der Galerie Kriens aus. Im Juni 2021 zeigten sie künstlerische Interventionen und Arbeiten auf verschiedenen sensorischen Ebenen zum Thema Wirklichkeit.
Sommerfestival auf Hinter-Musegg: All zwei Jahre führt der Kulturhof Hinter-Musegg ein kulturell geprägtes Sommerfestival durch. Vom 25. Juni bis 4. Juli 2021 genossen Gross und Klein das vielfältige Programm in der Heubühne und rund um den Kulturhof.
‹Wutschweiger›: Das Jugendtheater Ruswil spielte im April 2021 das Stück ‹Wutschweiger› unter der Regie von Matthias Koch. Das Stück handelt von Armut und Ausgrenzung, vom sozialen Abstieg von Familien und vom Schweigen der Gesellschaft.
Filmcamp für Kinder und Jugendliche: Der Verein Filmcamp gab im August 2021 Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit sich kritisch mit dem Medium Film auseinanderzusetzen. In Gruppen wurden selbst entwickelte Filmgeschichten realisiert, die im Kino Bourbaki vorgestellt wurden.
Molto Cantabile: Im Oktober 2021 konzertierte der Luzerner Kammerchor Molto Cantabile in der Johanneskirche. Der Auftritt war mehr als ein Konzert dank dem Audiodesigner Tomek Kolczynski, der Installationskünstlerin Hala Ghatasheh und dem Lichtgestalter Markus Güdel.
GGL-Geschäftsjahr 2021
Wir verfolgen mit unseren eigenen Mitteln konsequent den breit gefassten Gesellschaftszweck, der gemäss geltendem Statut von 2019 wie folgt lautet: Die GGL bezweckt die
- Unterstützung von Menschen in wirtschaftlichen Notsituationen und von Projekten im Sozialbereich
- Förderung des kulturellen Lebens in der Region Luzern
- Förderung der gesellschaftlichen und sozialen Wohlfahrt und
- Ausübung des Patronats über Institutionen gemäss deren Statuten.
Namentlich sind wir als eigentliche Stiftungsholding ständig bemüht, Personen oder soziale Projekte wie auch Kultur oder gesellschaftliche und soziale Wohlfahrt im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten auf Gesuch hin zu unterstützen. Die Professionalität, mit der wir arbeiten, hat die GGL nicht nur bekannt gemacht, sondern sie wirkt in Fachkreisen auch beispielgebend. Deshalb ist die Johannes Haaf-Stiftung mit dem Wunsch auf uns zugekommen, sich inskünftig ebenfalls unter das grosse Dach der GGL begeben zu dürfen. Deren Stiftungszweck passt bestens in unser Portefeuille, besteht er doch in der Unterstützung sozialer karitativer und gemeinnütziger Werke ebenso wie die Hilfe in Notlagen, in welchen Menschen geraten sind. Der Vorstand der GGL als hierfür zuständiges Gremium hat an seiner Sitzung vom 8. März 2022 der Patronatsübernahme zugestimmt.
Ausschuss und Geschäftsstelle behandelten 2021 insgesamt 401 Gesuche. 309 davon konnten positiv beantwortet werden. Mehr dazu unter Unterstützungen 2021.
2021 sind leider vier Mitglieder verstorben. Wir bedauern dies sehr. Der Vorstand der GGL hat im Jahr 2021 eine Person als Mitglieder der GGL aufgenommen. Per 31.12.2021 zählte die GGL 375 Mitglieder.
Quelle: GGL-Geschäftsbericht 2021
Die Corona-Pandemie beschäftigte auch den Ausschuss und die Geschäftsleitung der GGL.
2020
Unter dem Eindruck der Corona-Pandemie
Das Berichtsjahr 2020 steht unter dem Eindruck der Corona-Pandemie. Mitte März kam es zum ersten Lockdown. Theater, Konzerthäuser, Kinos, Galerien, Museen mussten schliessen. Künstlerinnen und Künstler verloren unverschuldet Auftrittsmöglichkeiten und kämpfen seither um ihre Existenz. Es ist zu hoffen, dass die solidarische Gesellschaft Schweiz die Politik dazu bewegt, die Kultur in all ihren Facetten zu stützen. Denn ohne Kultur, wird’s still, und diese Stille ist eine Bedrohung unserer Lebensqualität. Die GGL unterstützt mit ihren Möglichkeiten Kulturschaffende und kulturelle Organisationen in verschiedenste Sparten und trägt damit zur Lebensqualität in unserer urbanen Gesellschaft bei.
Im Geschäftsberichts porträtieren wir exemplarisch jeweils zwei Organisationen, welche im Berichtsjahr von der Gemeinnützigen Gesellschaft unterstützt wurden. Es sind dies im Geschäftsjahr 2020 der Verein Kirchliche Gassenarbeit und der Verein LISA. Beide Institutionen nehmen sich der Menschen auf der Gasse, auf der Strasse an: den Randständigen und den Sexarbeiterinnen auf dem Strassenstrich.
GasseZiitig – Das Sprachrohr der Randständigen für die Anständigen
Im Erscheinungsbild von FUMETTO präsentiert die Kirchliche Gassenarbeit die neuste GasseZiitig · Bild: Gassenarbeit
Die GasseZiitig ist die Zeitung von den Randständigen für die Anständigen, ist auf der Website der Gassenarbeit zu lesen. Diese Randständigen steuern den Grossteil des redaktionellen Inhalts bei und vertreiben die Zeitung auf Strassen, Gassen und Plätzen der Stadt. Vom Verkaufspreis von 2 Franken geht die Hälfte an die Verkäuferinnen und Verkäufer. Die Zeitung wurde schon prämiert. 2019 landete sie beim Swiss Print Award auf dem dritten Platz in der Kategorie Publikationen.
Zum 20jährigen Bestehen der Zeitung im Jahr 2018 schrieb Roger Lütolf, heute zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit bei der Kirchlichen Gassenarbeit: «Die Geburt der GasseZiitig ist eng mit der Situation der offenen Drogenszene in den 80er- und 90er-Jahren verknüpft. Die allererste Ausgabe entstand im März 1995, also zu der Zeit, als die Mass- nahmen der neuen gesamtschweizerischen Drogenpolitik zu wirken begannen». Die GasseZiitig biete eine gefragte Beschäftigungsmöglichkeit, vom Schreiben über das Abpacken bis zum Verkauf auf der Strasse.
Die Zeitung bringt aber auch die Menschen auf der Gasse mit der Leserschaft zusammen und schafft Kontakte und Verständigung. Sie hilft mit ein Ziel anzugehen, das auf der Website der Kirchlichen Gassenarbeit steht: Damit die Menschen von der Gasse nicht auf der Strasse stehen.
Hotspot · Der LISA Container
Der Container ‹hotspot› ist Aufenthalts-, aber auch Zufluchtsort bei drohender Gewalt von Männern.
Am Franziskanerplatz 1, im Haus des Luzerner Pfarramtes St. Maria, befindet sich die Geschäftsstelle von LISA, dem Luzerner Verein für die Interessen der Sexarbeitenden.
Sexarbeiter*innen arbeiten für einen Lohn und verdienen damit Geld für sich und ihre Kinder. Auch sie bezahlen Steuern und Krankenkasse. Damit haben sie Anrecht auf gute und sichere Arbeitsbedingungen. Dafür setzt sich LISA, Luzerner Verein für die Interessen der Sexarbeitenden, ein. So steht es auf der Website des Vereins.Birgitte Snefstrup, gebürtige Dänin, führt die Geschäftsstelle und ist die Frau für alle Fälle bei LISA. Ihre reiche Erfahrung sammelte sie seit 2005 bei der Aids-Hilfe Luzern, unter anderem mit ihrer Betreuungs- und Präventionsarbeit in allen Betrieben des Sexgewerbes in der ganzen Zentralschweiz.
Nachdem der Strassenstrich aus dem neuen Wohnquartier Tribschen weggewiesen wurde, beauftragte das Parlament den Stadtrat, eine neue Lösung für Sexarbeit auf der Strasse zu suchen. Die Stadt wandte sich 2012 an Birgitte Snefstrup. Sie verfasste ein Konzept für die Betreuung des Starssenstrichs an einen Ort am Rande der Stadt. Seit 2013 steht an der Ibachstrasse der Container ‹hotspot›.
GGL-Geschäftsjahr 2020
Vor dem Hintergrund der pandemischen Situation im Berichtsjahr könnte man die Vermutung haben, dass die Zahl der Gesuche ‹corona-bedingt› auch in der GGL stark angewachsen ist. Das ist allerdings nicht der Fall! – Der Grund hierfür dürfte einesteils in den staatlichen Hilfsgeldern für die in Not Geratenen liegen; anderenteils sammelte die Glückskette 2020 nicht weniger als 43.5 Millionen Franken für Corona-Hilfe Schweiz. Möglicherweise wird die Zahl der Hilfsgesuche bei uns im 2. und 3. Quartal des Jahres 2021 steigen, wenn sich die Geschäftsschliessungen häufen und eine grössere Zahl von Menschen auf der Suche nach einem existen- zerhaltenden Erwerbseinkommen ist.
Ausschuss und Geschäftsstelle behandelten 2020 insgesamt 369 Gesuche. 290 davon konnten positiv beantwortet werden, 79 Gesuche mussten abgelehnt werden. Mehr dazu unter Unterstützungen 2020.
2020 sind leider zwei Mitglieder verstorben. Zwei Mitglieder gaben ihren Austritt. Wir bedauern dies sehr. Der Vorstand der GGL hat im Jahr 2020 zwei Personen als Mitglieder der GGL aufgenommen. Per 31.12.2020 zählte die GGL 378 Mitglieder.
Quelle: GGL-Geschäftsbericht 2020 · Fotos: Dany Schulthess, Luzern/Emmenbrücke und zvg
Der Holzofen der Dreipunkt-Bio-Bäckerei mit den beiden Bäckern Reto Strebel und Dominik Reichmuth. · Foto: Dany Schulthess, Luzern/Emmenbrücke und zvg
2019
Jugendlichen bei einem schwierigen Start ins Berufsleben unterstützen
Ein neues Angebot in Luzern ist ROCK YOUR LIFE!. Seit 2016 begleiten junge Erwachsene Jugendliche beim Wechsel von der Schule in den Beruf. 19 Mentorinnen und Mentoren unterstützen zurzeit je eine Schülerin, einen Schüler bei der Jobsuche oder beim Entscheid über den Wechsel in eine weiterführende Schule. Junge für Junge, eine grossartige Initiative.
Die Gemeinnützige Gesellschaft der Stadt Luzern unterstützte ROCK YOUR LIFE! im vergangenen Jahr. Ebenso sprach sie Geld für die Stiftung Dreipunkt, die Jugendlichen hilft, einen verpatzten Start in den Beruf aufzufangen. In einem Angebot von Dreipunkt lernen Jugendliche und junge Erwachsene wieder aufzustehen und pünktlich zur Arbeit zu gehen. Sie erhalten eine Tagesstruktur, unter anderem in zwei Werkstätten.
Eine dieser Werkstätten unterstützte die GGL, die Bio-Holzofenbäckerei. Was in dieser Backstube entsteht sind Backwaren erster Güte, aus Produkten unserer Region. Ein Besuch des Dreipunkt-Standes am Luzerner Wochenmarkt lohnt sich und hilft den Jugendlichen, die durch den Verkauf ihrer Produkte Wertschätzung erfahren – ein wichtiges Gut für jedes Berufsleben.
Soziale Hilfeleistungen der GGL
In den letzten Jahren haben die Gesuche für Einzelfallhilfe markant zugenommen. Im Vergleich zum Jahr 2017 haben sich unsere Beiträge im Jahr 2019 mehr als verdoppelt. Nach wie vor richtet sich ein grosser Teil unserer Unterstützungsleistungen an Aus- und Weiterbildungen mit dem Ziel der beruflichen Integration. Diese Beiträge haben sich im Vergleich zum Vorjahr nahezu ver- doppelt. Damit steht eine wichtige Zielsetzung der Gemeinnützigen Gesellschaft, nämlich die Förderung der Eigenständigkeit des Individuums, im Zentrum unserer Leistungen.
Die GGL unterstützt die Luzerner Kultur-Szene in ihrer ganzen Breite
Eine Unterstützung an eine Produktion ist auch eine Unterstützung an den Lebensunterhalt von Kulturschaffenden. Mit der Kulturförderung trägt die GGL zur sozialen Sicherheit vor allem von jungen Künstlerinnen und Künstlern bei. Hier leistet die GGL einen wichtigen Beitrag zur kulturellen Vielfalt in der Stadt und Region Luzern.
Von oben links nach rechts unten: Fumetto Comic Festival – ‹GATTI› · ecco RONDO junges Theater Luzern · Die Festival Strings Lucerne · 36. Literaturfest 2020 und Buchmark · Poetry slam! im Neubad Luzern · Kolypan – Theater für Kinder · Theater im Paul: ‹A Fairy Tale – oder des Glückes Schmied› · Ausstellung ‹Himmel auf Erden›
Geschäftsjahr 2019
Ausschuss und Geschäftsstelle behandelten 2019 insgesamt 448 Gesuche. 277 davon konnten positiv beantwortet werden und wir konnten den gesuchstellenden Privatpersonen sowie Projekten und Institutionen mit unseren Mitteln helfen. 171 Gesuche mussten leider abgelehnt werden.
Im 2019 sind leider drei Mitglieder verstorben und zwei Mitglieder mussten krankheitshalber bzw. altersbeding den Austritt geben. Wir bedauern dies sehr. Vier neue Personen sind als Mitglieder der GGL aufgenommen worden. Per 31.12.2019 zählt die GGL 380 Mitglieder.
Quelle: Geschäftsbericht 2019 der GGL
Fotos: Dany Schulthess, Luzern/Emmenbrücke und zvg.
2018
Notsituationen mildern oder vermeiden und soziale und berufliche Integration fördern
Die Betreuung von Asylbewerbenden, Flüchtlingen und Leuten ohne Aufenthaltsbewilligung ist ohne private Initiativen und ohne Freiwillige nicht zu bewältigen. Staatliche Organisationen kommen bald an Grenzen. Gesetze schränken ein und ermöglichen wenig. Hier engagieren sich der Verein HelloWelcome und der Verein Kontakt- und Beratungsstelle für Sans-Papiers Luzern. Sie stehen für Menschen ein und verstehen es, ihnen einen Ort ohne Angst zu schaffen oder im Dialog mit den Behörden das Leben im Alltag zu ermöglichen. Dazu
ist nicht nur Engagement notwendig, sondern auch viel Fingerspitzengefühl im Umgang mit Vorschriften und Amtsstellen.
Soziale und berufliche IntegrationBeide Institutionen wurden im Berichtsjahr 2018 von der GGL unterstützt, was bestens zum Zweck unserer über 200 Jahre alten Gesellschaft passt. «Ziel unserer Hilfestellungen ist, Notsituationen zu mildern oder bestenfalls zu vermeiden und die soziale und berufliche Integration zu fördern», steht auf unserer Homepage. Asylbewerbende, Sans-Papiers sind in einer Notsituation und benötigen Hilfe. Unsere Unterstützung hilft mildern. Ihre Lage zu vermeiden wird schwierig sein. Eine soziale Integration erfahren sie im Netzwerk von Institutionen wie HelloWelcome oder bei der Beratung für Sans-Papiers, dank dem Engagement von Freiwilligen aus unserer Zivilgesellschaft. Einer beruflichen Integration, was die Lage oft lindern würde, stehen aber unsere Gesetze entgegen. Warum darf eine Sans-Papiers nicht freiwillig beim Mittagstisch in einer Pfarrei mithelfen, beim Service, beim Abwasch?
GGL-Geschäftsjahr
Im Juli 2018 musste die GGL von Richard Scherer, langjähriges Mitglied der GGL, endgültig Abschied nehmen. Mit Richard Scherer verlieren wir einen treuen Freund und stillen Begleiter, der uns über seinen Tod hinaus die Treue hielt. Seine Familie hat jedenfalls nicht nur das kirchliche Opfergeld an unsere Ge- sellschaft überweisen lassen, sondern in der Zeitung auch zu Spenden zu Gunsten der GGL aufgerufen. Per 31.12.2018 zählt die GGL 395 Mitglieder.
Auffällig war 2018 die starke Zunahme von rund 130 % von Beiträgen für die Deckung von Krankenkassenprämien und von Krankheitskosten. Ausschuss und Geschäftsstelle behandelten 2018 insgesamt 404 Gesuche. 287 davon konnten positiv beantwortet werden, 117 Gesuche mussten abgelehnt werden. Mehr dazu finden sich in den Bereichen Soziales und Kultur.
Quelle: GGL-Geschäftsbericht 2018
Das 1930 eröffnete Haus der renommierten Luzerner Architekten Möri & Krebs erstrahlt in neuem Glanz.
2017
Das leuchtend rote Landhaus setzt Akzente – Neueröffnung Landgut Unterlöchli
Im vergangenen Jahr durfte sich die Gemeinnützige Gesellschaft der Stadt Luzern mit Freude in Erinnerung rufen, dass das damalige Altersasyl Unterlöchli, das heutige Alters- und Pflegeheim ‹Landgut Unterlöchli›, dank dem Engagement von Persönlichkeiten aus ihrem Kreis gebaut wurde. Anlass zur Freude war die Wiedereröffnung des Hauses im hinteren Gebiet des Wesemlin-Quartiers, dicht an der Grenze zur Nachbarsgemeinde Ebikon. Die Gesellschaft Altersheim Unterlöchli ist eine gestandene Tochter der GGL. Beide Vereine profitieren vom Engagement von Personen, die in den Vorständen beider Gesellschaften mitwirken. So ist es Tradition, dass das Präsidium des ‹Unterlöchli› und jenes der GGL von einer Person besetzt wird.
Das rote Haus, das Alters- und Pflegeheim ‹Landgut Unterlöchli›, prägt das Bild des Siedlungsgebiets im hinteren Wesemlin-Quartier.Wer sich an das Gebiet Unterlöchli in der Vergangenheit erinnert, sieht den Luternauer-Hof mit seinem landwirtschaftlichen Umschwung und weit hinten das gelbliche Haus des Altersheims, weit weg von der Stadt. Heute ist das Unterlöchli mit dem Bus ideal ans Stadtzentrum angebunden. Die Gegend hat sich zu einem Quartier mit einem vielfältigen Wohnungsangebot, einer Volksschule und einer Kindertagesstätte entwickelt. Dies auch dank unserer Gesellschaft Altersheim Unterlöchli. Entwickelt hat sich auch das Alters- und Pflegeheim, das für seine Bewohnerinnen und Bewohner ein Lebensraum mit einer persönlichen und autonomiestärkenden Pflege geworden ist. Mit einem vielfältigen und auf die Bedürfnisse der Bewohnerschaft ausgerichteten Animations- und Kulturprogramm. Dazu stehen moderne einladende R.ume zur Verfügung, die auch vom Quartier genutzt werden können. Das Quartier ‹Unterlöchli› lebt, für alle Generationen. Dazu setzt das ‹Landgut Unterlöchli› neben seinem Angebot auch einen farbigen Akzent. Das Haus ist wieder rot wie bei seiner Eröffnung 1930, eine Referenz an die damaligen herausragenden Luzerner Architekten Möri & Krebs, welche auch die Villa ‹Senar› für Sergej Rachmaninoff in Hertenstein bauten.
Leben und Arbeiten glücken lassen
Die GGL unterstützt in jedem Jahr soziale Einrichtungen. 2017 ging ein Beitrag auch an die Stiftung Contenti zur Unterstützung des Wohnprojekts Himmelrich, das Arbeits- und Wohnplätze für behinderte Menschen anbietet. Contenti bietet zwei Angebote: 40 Arbeitsplätze (vor allem im Bürobereich) und 17 Wohnplätze. Die Nutzer der Angebote leben in der Regel mit einer erheblichen körperlichen Beeinträchtigung. Neben Firmen und Vereinen nutzen auch Privatpersonen die Contenti-Dienstleistungen: So Digitalisieren wir Dias, VHS-Kassetten und weitere Medien. Mehr erfährt man bei einem Blick auf die Website der Stiftung Contenti.
Die Stiftung Contenti bietet 40 Arbeitsplätze für behinderte Menschen an, vor allem im Bürobereich.
GGL-Geschäftsjahr
Die Gemeinnützige Gesellschaft der Stadt Luzern (GGL) verzeichnet im Jahr 2017 erfreulicherweise eine Zunahme des konsolidierten Organisationskapitals um mehr als 10 Prozent und eine gute Entwicklung bei den Erträgen. Ziel der GGL ist es nach wie vor, auf der Basis einer Buy-and-Hold-Strategie für ihre Wertschriften eine über die Jahre durchschnittliche Rendite zu erzielen, um den Gesellschaftszweck, nämlich die Unterstützung Hilfsbedürftiger und die Förderung geistiger Wohlfahrt, zu ermöglichen.
Das Engagement für Schwächere, aber auch der Erhalt und die Förderung von Ideen, Anlässen und Institutionen zur geistigen Wohlfahrt möglichst vieler Menschen im Kanton Luzern, macht eine teilzeitlich besetzte Geschäftsstelle erforderlich, die nicht nur die eingehenden Gesuche beurteilt, sondern auch die anfallenden administrativen und buchhalterischen Arbeiten erledigt. Andrea Richter verlässt auf Ende Mai 2018 die GGL und übergibt die Leitung des Sekretariats an Simone Hodel. Die GGL unterstützt die Luzerner Kultur-Szene in ihrer ganzen Breite. Auch hier ist die Geschäftsstelle der GGL gefordert.
Im August 2017 musste die GGL von Max Widmer, langjähriges Mitglied und Ehrenmitglied der GGL, Abschied nehmen. Für Max Widmer war die GGL immer eine Herzensangelegenheit – wir verlieren einen grossen Unterstützer und langjährigen Freund. Per 31.12.2017 zählt die GGL 393 Mitglieder.
Ausschuss und Geschäftsstelle behandelten 2017 insgesamt 334 Gesuche. 218 davon konnten positiv beantwortet werden, 116 Gesuche mussten abgelehnt werden. Details dazu finden sich in den Bereichen Soziales und Kultur sowie im Finanzbericht.
Im Vergleich zum Vorjahr sind 2017 die Beiträge für Einzelfallhilfe rund Fr. 10‘000.— tiefer, während die Anzahl der Gesuche gleich geblieben ist. Beim Zweck sind von Jahr zu Jahr Verschiebungen festzustellen. 2017 standen Zuschüsse im Zusammenhang mit Wohnen und Transportkosten im Vordergrund, während sich Zahnbehandlungsbeiträge halbiert haben.
Quelle: GGL-Geschäftsbericht 2017 · Fotos: Dany Schulthess, Luzern/Emmenbrücke
‹Abseits Luzern› · Die andere Stadtführung · Foto: Dany Schulthess, Luzern/Emmenbrücke
2016
Seit ihrer Gründung leistet die GGL unkomplizierte, schnelle Hilfe
Die GGL ist eine Organisation, die sehr unkompliziert Hilfe leisten kann – und das seit ihrer Gründung im Jahr 1812. Sie kann trotz Vorgaben spontan unterstützen, auch wenn das Gesuch nicht ganz unsere Bedingungen erfüllt. Sie ist flexibel und arbeitet zu Gunsten in Not geratener Menschen mit einem grossen Ermessen. Gemäss unseren Vorgaben sollten Eingaben an uns über eine Sozialstelle erfolgen. In den meisten Fällen wird dieser Weg eingehalten. Es kommen aber immer wieder Leute direkt auf uns zu. Diese verweisen wir dann immer an eine derem Fall entsprechende Beratungsstelle. Direkte Unterstützung ist nicht sinnvoll, es braucht Abklärungen der Fachstellen. Mit deren Angaben können wir richtig entscheiden. Wir wollen ja letztlich wissen, ob unser Geld auch richtig und zweckgebunden eingesetzt wird.[1]
Kunstausstellungen von Maria Zgraggen im akku in Emmenbrücke sowie des Künstlerpaares Marie-Theres Amici und Rudolf Blättler in der Luzerner Kunsthalle
Sozialer Aspekt der Kulturförderung
Mit der Kulturförderung trägt die GGL zur sozialen Sicherheit vor allem von jungen Künstlerinnen und Künstlern bei. Eine Unterstützung an eine Produktion ist auch eine Unterstützung an deren Lebensunterhalt. Hier leistet die GGL einen wichtigen Beitrag zur kulturellen Vielfalt in der Stadt und Region Luzern.[2]
Heidi Somm in der Geschäftsstelle der Gemeinnützigen Gesellschaft der Stadt Luzern · Foto: Dany Schulthess, Luzern/Emmenbrücke
Wechsel nach 20 Jahren
Auf der Geschäftsstelle der GGL kommt es auf Mitte Jahr hin zum Wechsel in der Leitung des Sekretariats. Neue wird Andrea Richter das Sekretariat der GGL leiten. Heidi Somm verlässt die Münzgasse 5 nach 20 Jahren.[3]
Geschäftsjahr 2016
Die soziale Not wird auch in unseren Gemarchungen nicht weniger, im Gegenteil. Vorstand, Ausschuss, und Geschäftsstelle behandelten 362 Fälle, die uns als Gesuche unterbreitet wurden. 275 durften wir positiv beantworten und den gesuchstellenden Privatpersonen sowie Projekten und Institutionen mit unseren Mitteln helfen. 87 Fälle mussten wir leider ablehnen.
Seit Jahresbeginn 2016 beherbergt die GGL unter ihrem Dach die Stiftung ‹Il Tavolino›. Diese wirkt seit 20 Jahren der Vereinsamung von Rentnerinnen und Rentnern entgegen. Zu diesem Zweck betreibt sie in den Gebäulichkeiten der Ökumenischen Wohnbaugenossenschaft Luzern (OeWL) an der Bleicherstrasse ein kostengünstiges Café-Restaurant. Auf Ende des vergangenen Jahres hat sich die Galliker-Birrer-Stiftung unter das Dach der GGL begeben. Auch sie bezweckt die finanzielle Unterstützung von gemeinnützigen und wohltätigen Institutionen.[3]
[1] 2016 S. 7–8 · [2] 2016 S. 20–21 · [3] 2016 S. 15–16
Alois Steiner und Beatrice Schumacher vor dem GGL-Sitz an der Münzgasse 5 · Beide veröffentlichten 2015 ein geschichtliches Werk, welches im Auftrag der Gemeinnützigen entstand · Foto: Dany Schulthess, Luzern/Emmenbrücke
2015
Das GGL-Jahr der Geschichten
Die Gemeinnützige Gesellschaft der Stadt Luzern (GGL) weist einen reichen Schatz an Geschichte auf. Ihre Repräsentanten waren nicht nur gemeinnützig sondern auch politisch tätig und gaben mit ihrem Engagement den politischen Institutionen ihr Gepräge. 2015 öffnete die Gesellschaft ihren Tresor an Geschichten und veröffentlichte die Biografie des ersten Luzerner Bundesrates, Josef Martin Knüsel, der auch Präsident der GGL war. Nicht nur ihre eigenen Köpfe präsentierte die GGL 2015 der Öffentlichkeit. Sie veröffentlichte auch die ‹Kleine Geschichte der Stadt Luzern›. Dieses Buch, geschrieben von der Historikerin Beatrice Schumacher, ist das Geschenk der GGL an Jung und Alt aus Anlass ihres 200. Geburtstages. Eine Lücke wurde geschlossen, denn bisher fehlte eine leicht verständliche Geschichte zur Stadt, die auch analytisch und kritisch mit Luzern umgeht.[1]
Von der Aufgabe Geschichte zu erzählen
Wer die Gelegenheit hat mit Ehrenpräsident Franz Kurzmeyer im Sitzungszimmer der GGL an der Münzgasse zu weilen, wird früher oder später feststellen, dass sein Blick ab und zu auf die Galerie ehemaliger Präsidenten und Mitglieder der GGL schweift. Und wenn er dann feststellt, dass andere im Raum seinem Blick folgen, erleben sie anhand dieser 17 Porträtbilder die Geschichte Luzerns seit 1812 hautnah. In der Tat, die Gemeinnützige weist eine geschichtsträchtige Reihe ehemaliger Mitglieder und Präsidenten auf. Einer davon hat es Franz Kurzmeyer besonders angetan, einer, der im Laufe der Zeit den geschichtlichen Kenntnissen unserer Zeit fast entschwunden war. Jener der Präsidenten der GGL, der einmal der erste Luzerner im Bundesrat war … und nicht Josef Zemp hiess.
Vor dem Vergessen bewahren
War das mit ein Grund, dass der GGL-Vorstand noch zu Franz Kurzmeyers Präsidialzeit entschied, mit einem Buch Josef Martin Knüsel wieder in Erinnerung zu rufen? Denn dieser war der Erste und regierte im Berner Bundeshaus von 1855 bis 1875. Der Historiker Alois Steiner übernahm die Aufgabe das Leben des Luzerner Magistraten nachzuzeichnen. So entstand das Buch Josef Martin Knüsel – Der vergessene Luzerner Bundesrat, reich bebildert und mit vielen Hintergrundinformationen ergänzt.
Patrik Beffa hat dem Buch so viele Fakten zu Knüsels Lebenszeit von 1813–1889 hinzugefügt, dass ein praktisches Dossier für den Geschichtsunterricht entstanden ist. Davon profitieren die Geschichtslehrerinnen und -lehrer aller Gymnasien im Kanton Luzern. Sie erhielten eines der Bücher als Geschenk. Hoffen wir, dass diese Gabe dazu beiträgt, Bundesrat Josef Martin Knüsel wieder in Erinnerung zu rufen. Aber noch mehr kann das Buch eine Chance sein, die Geschichte des jungen Bundesstaates und des Kantons Luzern besser kennenzulernen.
Zur Buchvernissage trafen sich am 18. März 2015 zahlreiche Mitglieder der GGL und Gäste im Historischen Museum. Dabei erfuhren die Anwesenden unter anderem, dass Knüsel in seinen 20 Jahren als Bundesrat fünf verschiedenen Departementen vorstand und zweimal zum Bundespräsidenten gewählt wurde. Was gerade in der heutigen Zeit interessiert, ist die Feststellung von Autor Alois Steiner, dass Josef Martin Knüsel als Wegbereiter der Gotthardbahn bezeichnet werden kann. Damals favorisierten viele eine Linienführung im Osten, via Splügen oder Lukmanier. In einer Stellungnahme zur Nord-Süd-Verbindung an den Bundesrat strich Knüsel aber die Vorteile einer Linie Basel–Gotthard–Mailand hervor. Bahnpionier Alfred Escher, so ist Autor Alois Steiner überzeugt, muss vom Schreiben Knüsels gewusst haben. Er wechselte ins Lager der Gotthard-Befürworter. 1882 wird die Gotthardlinie eröffnet.
Knüsel stand 1876 der GGL vor, deren Gründung als ‹Hülfsgesellschaft› 1812, ein Jahr vor Knüsels Geburt, erfolgte. 2012 feierten die Gemeinnützigen das 200-jährige Bestehen und blickten damit auch auf die Geschichte ihrer Gesellschaft im ereignisreichen 19. Jahrhundert zurück.
Tauchgang in die Zeitgeschichte
Es überrascht nicht, dass Franz Kurzmeyer zum 200. Geburtstag anregte, der Stadt Luzern und ihrer Bevölkerung ihre Geschichte zu schenken. So entstand die Kleine Geschichte der Stadt Luzern, geschrieben von der Historikerin Beatrice Schumacher. Sie schuf ein Werk, das bisher vermisst wurde: die Geschichte der Stadt, kurzweilig, informativ und reich bebildert, ein Buch, welches die abwechslungsreiche Historie Luzerns in sechs Kapiteln erzählt. «‹Die Kleine Geschichte›», so Beatrice Schumacher in ihrem Vorwort, «holt ihre Leserinnen und Leser im Hier und Heute ab, am Bahnhof oder am Kasernenplatz, am Schweizerhofquai oder auf der Allmend. Sie lädt ein zum Tauchgang in die Zeitgeschichte …»
Beatrice Schumacher stellte am 24. November 2015 ihr Werk in der Zentral- und Hochschulbibliothek der Öffentlichkeit vor. Der Lesesaal war proppenvoll, die Anerkennung für das Buch gross. Erfreulich zeigt sich auch der Verkauf, die ‹Kleine Geschichte› erscheint bereits in zweiter Auflage. In seinem Vorwort schreibt GGL-Präsident Urs W. Studer: «Das Wohltuende an diesem mit vielen Bildern illustrierten Geschichtsband ist, dass nicht in erster Linie Politiker im Zentrum der Betrachtung stehen, sondern die schicksalshafte und wechselvolle Entwicklung der Luzerner Stadtgemeinschaft im Verlaufe der vergangenen rund 700 Jahre beschrieben wird.»[2]
Geschäftsjahr 2015
Vorstand, Ausschuss, und Geschäftsstelle behandelten 281 Fälle, die uns als Gesuche unterbreitet wurden. 226 durften wir positiv beantworten und den gesuchstellenden Privatpersonen sowie Projekten und Institutionen mit unseren Mitteln helfen. 55 Fälle mussten wir leider ablehnen. 2015 zählte die GGL 381 Mitglieder (inkl. Neumitglieder). Im vergangenen Vereinsjahr sind verstorben: Karl Stadlin, Ruth Amrein und Walter Hohler. Drei Mitglieder verliessen die Gesellschaft altershalber.[3]
[1] 2015 S. 5 · [2] 2015 S. 7–8 · [3] 2015 S. 16
In der «Wärchstatt» an der Bruchstrasse und am Hirschengraben bietet der von der GGL unterstützte Verein Jobdach 35 niederschwellige Arbeitsplätze an · Foto: Dany Schulthess, Luzern/Emmenbrücke
2014
Stabsübergabe von Franz Kurzmeyer an Urs W. Studer
Die Gemeinnützige Gesellschaft der Stadt Luzern (GGL) hatte im 202. Jahr seit ihrer Gründung ein markantes Ereignis zu verzeichnen. An ihrer Generalversammlung vom 3. Juni 2014 übergab Franz Kurzmeyer sein Amt als Präsident der Gesellschaft an Urs W. Studer. Franz Kurzmeyer stand der GGL 24 Jahre vor und setzte, gemeinsam mit dem Vorstand, nachhaltig Spuren bei der Gestaltung und Weiterentwicklung der Gesellschaftsaktivitäten. Er hat, wie es Urs W. Studer in seiner Laudatio an der GV treffend ausdrückte, der Gesellschaft ein neues, offenes Gepräge verpasst, das mit der humanitären Tradition Luzerns und der Schweiz ebenso korrespondiert, wie mit der Entwicklung der Luzerner Gesellschaft, nämlich das einer offenen, toleranten, ökologisch sensiblen, aus einer Vielzahl von philosophisch liberal denkenden Persönlichkeiten bestehenden Sozietät.[1]
Verabschiedung von Franz Kurzmeyer als Präsident
Im Zentrum der Generalversammlung im Zeugherrsaal des Hotels Schweizerhof stand die Verabschiedung von Franz Kurzmeyer als Präsident der GGL. Die Versammlung wählte Vizepräsident Urs W. Studer zu seinem Nachfolger. Im Anschluss an seine Wahl wandte er sich mit folgenden Worten an die Versammlung:
Lassen Sie mich in allem für das Vertrauen, das Sie mir vorher durch die Wahl mit Akklamation entgegenbrachten, herzlich danken. Ich kann Ihnen nur versprechen, dass ich mit all meinen Kräften versuchen werde, Ihr Vertrauen zu rechtfertigen.
In meiner Eigenschaft als noch amtierender Vizepräsident der GGL möchte ich Euch eine weitere Ehrung vorschlagen, ohne die diese Vereinsversammlung gar nicht zu Ende gehen könnte: sie betrifft den amtierenden Präsidenten Franz Kurzmeyer.
Ich schlage diese Ehrung namens des Vorstands- und des Vorstands-Ausschusses vor, und zwar:
- nicht, weil Franz und ich seit Jahrzehnten befreundet sind
- nicht, weil er mein Vorgänger im Amt als Stapi war, und auch
- nicht, weil er 40 Jahre Mitglied der GGL und zirka die gleiche Zeit Mitglied der SGG war,
- sondern nicht nur, aber auch, weil er dieser GGL in den vergangenen 25 Jahren als deren Präsident vorstand
- weil er der Gesellschaft, die als Verein inkorporiert ist, ein neues, offenes Gepräge verpasste, das mit der humanitären Tradition Luzerns und der Schweiz ebenso korrespondiert, wie mit der Entwicklung auch unserer Luzerner Gesellschaft, nämlich einer offenen, toleranten, ökologisch sensiblen aus einer Vielzahl von philosophisch liberal denkenden Persönlichkeiten bestehenden Sozietät
- weil er denjenigen Typ eines «Gutmenschen» verkörpert, der jedem und jeder unvoreingenommen begegnet und ihm den Eindruck gibt, er oder sie sei für ihn von grosser Wichtigkeit und Relevanz
- weil es ihm und seinen Mitstreitern gelungen ist, Stiftung und Gesellschaftskapitalien gewaltig anwachsen zu lassen, damit die GGL noch heute in der Lage ist zu helfen, wo Not besteht und schliesslich
- weil es ihm gelungen ist, die GGL Geschäftsstelle teilweise zu professionalisieren.
Ich habe das Profil von Franz auch mit Heidi Somm, bekanntlich seit 17 Jahren als seine rechte und linke Hand in der GGL, besprochen. Auch sie beschrieb mir Franz als guten und gutherzigen Menschen, der teamorientiert arbeitet, aber wenn es die Situation erfordert, durch Präsidialentscheide zu führen gewillt ist.
Mit einer Standing-Ovation ernannte die Generalversammlung Franz Kurzmeyer zum Ehrenpräsidenten der Gemeinnützigen Gesellschaft der Stadt Luzern.[2]
Das Geschäftsjahr 2014
2014 zählte die GGL 382 Mitglieder (inkl. Neumitglieder). Vorstand, Ausschuss, die beiden Präsidenten und die Geschäftsstelle behandelten 306 Fälle, die uns als Gesuche unterbreitet wurden. 245 durften wir positiv beantworten und den gesuchstellenden Privatpersonen sowie Projekten und Institutionen mit unseren Mitteln helfen. 61 Fälle mussten wir leider ablehnen.[3]
[1]2014 S. 5 · [2]2014 S. 33 · [3]2014 S. 18
Zwei Freunde – eine Gesellschaft: Urs Studer löst am 3. Juni 2014 Franz Kurzmeyer an der Spitze der Gemeinnützigen Gesellschaft der Stadt Luzern ab · Foto: Dany Schulthess, Luzern/Emmenbrücke
2013
Die Ära Kurzmeyer-Studer geht weiter
Eine Ära geht zu Ende und doch nicht: Franz Kurzmeyer übergibt die Leitung der GGL an Urs W. Studer. Der Kurs der Gesellschaft wird bleiben. In Not geratene Menschen können sich weiterhin auf die Unterstützung der GGL verlassen. Neben dem sozialen Engagement will auch der neue Präsident Akzente in der Kulturförderung setzen. Die 202. Generalversammlung der Gemeinnützigen Gesellschaft der Stadt Luzern (GGL) wird in die Geschichte des Traditionsvereins eingehen. Im Hotel Schweizerhof in Luzern übergibt Franz Kurzmeyer sein Präsidium an Urs W. Studer. Was bereits an den Gerichten Luzerns begann und beim Stadtpräsidium weiterging, findet seine Fortsetzung bei der Gemeinnützigen Gesellschaft. Die Ära Kurzmeyer-Studer geht weiter. Bleibt alles wie bisher oder setzt der neue Präsident andere Akzente? Ein Interview mit den beiden langjährigen Freunden, geführt in der Geschäftsstelle der GGL an der Münzgasse in Luzern, gibt Antworten.
Franz Kurzmeyer, Sie arbeiten seit 1974 im Vorstand der GGL mit und präsidierten diesen traditionellen Verein ab 1990 24 Jahre lang. Was verbindet Sie mit der GGL?
Franz Kurzmeyer: Mein Vater, Werner Kurzmeyer, war schon Präsident der GGL, von 1954 bis 1982. Ich kam somit sehr früh in Kontakt mit unserer Gesellschaft. Bereits in jungen Jahren nahm er mich ab und zu an Sitzungen mit. Ich erhielt dadurch Einblicke in die damaligen Themen und Aktivitäten unseres Vereins. Ich lernte auch alle seine wichtigen Freunde kennen, deren Persönlichkeit mich prägte. Neben Franz Wangler und Eduard Camenzind erinnere ich mich besonders an Walter Jäger und Rudolf Grumbacher.
Die GGL bedeutet mir sehr viel. Ich möchte dazu vor allem zwei Punkte erwähnen. Es tut gut, wenn einem die Möglichkeit gegeben ist, Gutes zu tun. Die GGL gab und gibt mir diese wunderbare Gelegenheit. Zudem durfte ich diese Aufgabe im Kreise von Freunden und Freundinnen erfüllen. Unsere Gesellschaft besteht aus rund 300 Mitgliedern, zu denen ich einen freundschaftlichen Bezug habe. Ich durfte diesen Kreis von Freunden ganz unabhängig von deren parteilichen Herkunft aufbauen.
Urs Studer: Mir geht es gleich wie Franz. Auch ich schätze diesen Kreis an liberal denkenden Menschen sehr. In diesen Kreis brachte mich Franz. Er förderte mich auch väterlich im beruflichen Umfeld am Amtsgericht, am Obergericht, schliesslich auch auf meinem Weg ins Stadtpräsidium, als sein Nachfolger.
Ich bin glücklich, dass es die GGL gibt. Als Stadtpräsident sah ich viele soziale Notsituationen, gerade auch im Zusammenhang mit kulturellem Engagement. Aufgrund ihrer Leidenschaft beuten sich viele Kulturschaffende selber aus und sind nicht in der Lage, ihr Leben finanziell zu meistern. Hier kann die GGL zum Beispiel helfen.
Franz Kurzmeyer: Wenn wir wollen, dann können wir viel Not lindern, dank der Mittel der GGL, dank jener Menschen, die uns ihre Mittel zukommen liessen, um Gutes zu tun.
Urs Studer: Genau. Diesen Menschen verdanken wir unsere Stiftungen. Diese Mittel sind notwendig, um Menschen in Not in unserer Region zu helfen, in einer Zeit, in der der Abbau staatlicher Unterstützung droht. Aber nicht nur das Stiftungsgeld nützt, sondern auch das persönliche Engagement unserer rund 300 Mitglieder.
Die GGL wurde vor 202 Jahren gegründet, damals als ‹Hülfsgesellschaft›. Welche Bedeutung hatte der Verein damals, welche heute?
Franz Kurzmeyer: Im 19. Jahrhundert hatte unsere Gesellschaft eine sehr grosse Bedeutung. Luzerner Persönlichkeiten nahmen sich in einer schwierigen Zeit der prekären Lage der Armen an. Ich erinnere besonders an unseren Gründer, an den damaligen Stadtpfarrer Thaddäus Müller. Unter anderem nahm sich der Verein der Kinder straffälliger Frauen an und platzierte diese in Familien. Die damals gut gemeine Hilfestellung erwies sich teilweise als falsche Massnahme. Heute geht die Gesellschaft solche Herausforderungen anders an.
Urs Studer: Wir müssen uns vor Augen halten, dass die damalige Schweiz sehr arm war. Es gab keine sozialen Netzwerke. Unsere Gründer sahen diesen Mangel und gründeten unsere Gesellschaft. Sie zeigten sich solidarisch mit den Armen. Zudem: Damals bestand die allgemeine Schulpflicht noch nicht. Es erstaunt nicht, dass unseren Gründern Heinrich Pestalozzi als Vorbild diente.
Franz Kurzmeyer: Und heute? – Dank guter Kontakte und guter Organisation haben wir die Möglichkeit, vielen zu helfen. Wir können 300‘000 bis 400‘000 Franken einsetzen, zur Hauptsache für soziale und kulturelle Hilfe. Dazu kommt unsere wichtigste Tochter, das Altersheim Landgut Unterlöchli.
Die GGL war mal stramm liberal, freisinnig. Heute steht der Verein für eine offene Gesellschaft und hat fast keinen parteipolitischen Bezug mehr. Diese Entwicklung hat Ihre Amtszeit geprägt.
Franz Kurzmeyer: Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein war die GGL eine parteipolitisch liberale Gesellschaft. Diese Ausrichtung hat sich in den letzten Jahrzehnten verändert. Jetzt sind wir ein Verein mit liberal denkenden Persönlichkeiten – fortschrittliche, offene Menschen. Diese sind uns wichtig. Daher suchen wir unsere Mitglieder selber und berufen sie in unseren Kreis.
Diese Öffnung der GGL prägte sicher meine Präsidialzeit. Ebenso, als zweiten Akzent, unsere Hilfe im kulturellen Bereich. Die GGL engagierte sich von Anfang an sozial, auch heute noch natürlich. Wir mussten aber feststellen, dass sich viele Kulturschaffende so engagieren, dass sie oft in finanzielle Schwierigkeiten geraten oder ihre wertvollen Werke nicht vollenden können. Daher setzen wir seit mehreren Jahren mit der Unterstützung von Künstlerinnen und Künstlern neben der sozialen Hilfe einen zweiten Akzent. Passend zur Unterstützung Kulturschaffender schufen wir in meiner Zeit auch einen Kunstfonds. Leider mussten wir aber die Pfandleihanstalt, die hier in unserem Haus Münzgasse 5 war, aufheben. In der heutigen Zeit ist diese Form der temporären Geldbeschaffung in Notfällen nicht mehr gefragt.
Urs Studer, Sie werden an der GV der GGL zum Nachfolger von Franz Kurzmeyer gewählt. Wohin geht die Reise der GGL unter Ihrem Präsidium?
Urs Studer: Schon 1996, als ich als Nachfolger von Franz das Stadtpräsidium übernehmen durfte, wusste ich, dass ich den von ihm eingeschlagenen Weg weitergehen will. Diese Erfahrung lenkt meinen Kurs auch jetzt bei der Nachfolge ins GGL-Präsidium. Die GGL ist gut aufgestellt: inhaltlich, organisatorisch, finanziell. Trotzdem: Unsere Gesellschaft lebt ja vom Vermächtnis grosszügiger Menschen. Es wäre schön, wenn auch künftig uns nahestehende Personen in ihrem Vermächtnis an die GGL denken würden. Ich bin überzeugt, dass wir mit ihren Mitteln vielen Menschen helfen können.
Für mich beginnt nun ein neues Kapitel. Ich muss mich noch etwas in die Dossiers einarbeiten. Während meiner Zeit als Stadtpräsident fehlte mir dazu oft die Zeit. Beim Unterlöchli, dessen Trägerschaft ich auch präsidieren darf, war das anders. Unser Altersheim kannte ich bestens als langjähriges Vorstandsmitglied sowie als Heimvorsteher, vor meiner Zeit als Stapi.
Ich bin froh, dass ich auch als Präsident der Weihnachtsaktion der ‹Neuen Luzerner Zeitung› Wissen und Erfahrungen sammeln darf, die ich nun gut einsetzen kann. Ich kann nun in beiden Organisationen von der guten Zusammenarbeit zwischen den öffentlichen und privaten Hilfsorganisationen profitieren.
Wie zeigt sich denn dieses gute Zusammenarbeit?
Franz Kurzmeyer: Wir profitieren von guten Kontakten zur Stadt, aber auch zum Kanton. Oft waren Mitglieder des Stadtrates und des Regierungsrates in den Gremien der GGL.
Urs Studer: Ich kann das nur bestätigen: Die Zusammenarbeit ist gut bei der Unterstützung Bedürftiger. Auch wenn das Netz der staatlichen Hilfe stärker und enger geknüpft wurde, die private Hilfe braucht es weiterhin. Zu oft fallen immer noch Menschen durch die Maschen staatlicher wie auch privater Hilfsangebote.
Franz Kurzmeyer: Die öffentlichen Organisationen kennen uns und nehmen mit uns im Einzelfall Kontakt auf. Im Jahr halfen wir in rund 300 Fällen, immer unter dem Motto: Tu gutes und sprich nicht darüber …
Urs Studer: … dies wollen wir nun etwas ändern. Wir wollen uns öffnen und zeigen, wo die GGL hilft. Zum Beispiel im Geschäftsbericht, den wir im vergangenen Jahr neu gestaltet haben und der unseren Mitgliedern und interessierten Kreisen Einblicke in unsere Arbeit vermittelt.
Franz Kurzmeyer, Ihre Agenda war in den vergangenen Jahren von Ihren Aktivitäten im Unterlöchli und für die GGL geprägt. Wie sieht Ihr Tag nach dem 3. Juni aus?
Franz Kurzmeyer: Vorerst möchte ich an dieser Stelle allen danken, die mich bei meinen Tätigkeiten im Unterlöchli und für die GGL so toll unterstützt haben: den beiden Vorständen, den Ausschüssen, besonders Heidi Somm, Antoinette Gnos, Isolde Bühlmann und Heidy Steffen sowie den Finanzchefs Hans Gisler und Markus Aeberhard.
Ich bleibe aber mit der GGL weiterhin als Mitglied verbunden. Ich habe alle meine Ämter abgegeben, ausser meinen Sitz in der Stiftung der Sammlung Rosengart. Somit habe ich nun viel Zeit zum Lesen. Ich will viel lesen, vor allem über die Weltgeschichte. Ich kann mir jetzt ein ganz wenig einen alten Wunsch erfüllen. Schliesslich wollte ich einmal Geschichtslehrer werden.
Interview: Niklaus Zeier[1]
Franz Kurzmeyer: Seit 1974 arbeitete Franz Kurzmeyer im Vorstand der GGL mit und amtet seither als Präsident der Hugo und Annie Grün-Stiftung. 1990 wählte ihn die GV zum Präsidenten der GGL und all ihrer Stiftungen, als Nachfolger von Hans L. F. Meyer. An der GV 2014 tritt er als Präsident zurück. Von 1987–2012 stand Franz Kurzmeyer als Präsident der Gesellschaft Altersheim Unterlöchli vor.[2]
Urs W. Studer: Seit 1979 ist Urs W. Studer Mitglied der GGL. 1993 wurde er als Aktuar in den Vorstand gewählt. Ab 1990 unterstützte er als Vizepräsident den Vorsitzenden. Urs W. Studer gehört zudem dem Vorstand der Gesellschaft Altersheim Unterlöchli vor. Von 1987 bis 1996 war er Heimvorstand. Seit 2012 präsidiert er diese Gesellschaft.[3]Das Geschäftsjahr 2013
Vorstand, Ausschuss, Präsident und Geschäftsstelle behandelten 331 Fälle, die uns als Gesuche unterbreitet wurden. 271 durften wir positiv beantworten und den Gesuchstellenden mit unseren Mitteln helfen. 57 Fälle mussten wir leider ablehnen. 2013 zählte die GGL 352 Mitglieder (inkl. 15 Neumitglieder). Leider mussten wir auch im vergangenen Jahr von lieben treuen Mitgliedern Abschied nehmen. Ein grosser Verlust für Luzern ist zweifelsohne der Hinschied von Dr. h.c. Alfred Waldis, dem Vater des Verkehrshauses. Der bedeutende Schulmann und Rektor Albin Ruf hat uns ebenfalls verlassen. Von uns gegangen ist auch Bruno Zeyer und die liebenswürdige Linel Fischer, die ihrem Gatten Hanspeter Fischer nachgefolgt ist. Annemarie Bielmann, wie ihre Schwester Gertrud Bielmann eine grosse Wohltäterin unserer Gesellschaft hat leider auch das Zeitliche gesegnet.[4]
[1]2013 S. 7–11 · [2][3]2013 S. 11 · [4]2013 S. 19
GGL-Präsident Franz Kurzmeyer im Gespräch mit Annemarie Huber-Hotz, Präsidentin der SGG und ehemalige Bundeskanzlerin, Festrednerin der 200-Jahre-Feier · Foto: Dany Schulthess, Luzern/Emmenbrücke
2012
200 Jahre GGL – Nächstenliebe, Solidarität, Humanität – sie wird es immer brauchen
«Das hätte er sich wohl nicht träumen lassen, unser Gründer Stadtpfarrer Thaddäus Müller, als er am 5. September 1812 seinem Freund, Stadtarzt Johann Caspar Hirzel die Mitteilung machte: ‹Unsere Hülfsgesellschaft hat sich constituert›,…er hätte sich nicht träumen lassen, dass rund 200 Jahre später 300 Persönlichkeiten sich zum Jubelfest der Gemeinnützigen Gesellschaft der Stadt Luzern hier einfinden.» Mit diesem historischen Einstieg begrüsste am Sonntagmorgen, 2. September 2012 Franz Kurzmeyer, Präsident der Gemeinnützigen Gesellschaft der Stadt Luzern (GGL), im Luzerner Theater die illustre Gästeschar. Sie war gekommen um, die Gründung der Gesellschaft gemeinnütziger Beratungen, wie die GGL am Anfang hiess, zu feiern. Mit grosser Freude begrüsste Franz Kurzmeyer namentlich Regierungspräsidentin Yvonne Schärli, den neuen Luzerner Stadtpräsidenten Stefan Roth und dessen Vorgänger Urs W. Studer, Vizepräsident der GGL, der zwei Tage zuvor das Amt des Stadtpräsidenten nach 16jähriger Amtszeit seinem Nachfolger Stefan Roth übergeben hatte.
Seitens der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG) durfte Franz Kurzmeyer Vizepräsident Robert Karrer und Geschäftsführer Herbert Ammann im Luzerner Theater willkommen heissen, ebenso die ehemalige SGG-Präsidentin und Alt-Nationalrätin Judith Stamm. Mit besonderer Freude begrüsste er eine andere ehemalige SGG-Präsidentin: Annemarie Huber-Hotz, ehemalige Bundeskanzlerin der Schweizerischen Eidgenossenschaft und Festrednerin am 200. Geburtstag der GGL.
Die GGL-Leitung nahm die Jubelfeier zum Anlass, allen Mitgliedern ihrer Gesellschaft und den Gästen die Geschichte der Gesellschaft in zwei Bänden zu schenken. Den ersten Band, der die Jahre 1812–1962 behandelt, verfassten die Brüder Robert und Fritz Blaser. Im zweiten Band beleuchtete der Historiker Urs Hangartner anregend und gut verständlich die Jahre 1962–2012.
Ein Geschenk an die Stadt
Ein noch grösseres Geschenk will die GGL aus Anlass ihres Jubiläums der Stadt Luzern übergeben. Franz Kurzmeyer kündigte mit Freude an, dass zurzeit eine kleine Stadtgeschichte entstehe, ein handliches, lesefreundliches, illustriertes Buch. Es soll den Werdegang der Stadt zeigen, vom Fischerdorf zum Kernort eines bedeutenden Zentralschweizer Raumes rund um den Vierwaldstättersee.
Seine Begrüssung beendete Franz Kurzmeyer mit den Worten: «Die Nächstenliebe, die Solidarität, die Humanität, sie wird es immer brauchen. In diese Ideale stellen wir auch die Zukunft unserer Gesellschaft. Wir danken Ihnen, wenn Sie uns dabei wie bis anhin zur Seite stehen.»
Leidenschaft für das Wir
Ihre Ansprache stellte Annemarie Huber-Hotz, die ehemalige SGG-Präsidentin und heutige Präsidentin des Schweizerischen Roten Kreuzes, unter den Titel «200 Jahre Leidenschaft für das Wir». Sie setzte das Wirken der Gemeinnützigen Gesellschaft in den Kontext der gesellschaftlichen Entwicklungen und skizzierte die erfolgreicher Tätigkeit des Vereins mit Beispielen wie das Alterheim Unterlöchli oder die Unterstützung der BaBel-Strings, eines multikulturellen, integrativen Orchesterprojekts im Quartier Basel- und Bernstrasse von Luzern. Ihr Ausführungen gipfelten in der Notwendigkeit der Gemeinnützigkeit als gesellschaftsgestaltender Kraft, welche als Alter- native den zentrifugalen Kräften des politischen Lebens entgegengestellt werden müsse. Abschliessend betonte sie nochmals, dass in der Gemeinnützigkeit ein riesiges Potenzial an zukunftsgestaltender Kraft stecke. «Aber dieses zu entfalten, dazu braucht es Leidenschaft. 200 Jahre und nochmals 200 Jahre.»
Den Reigen der Grussbotschaften eröffnete Regierungspräsidentin Yvonne Schärli. Sie dankte der GGL für ihr grosses Engagement im Namen des Kantons Luzern. Das Wirken der GGL aus Sicht der SGG beleuchtete und verdankte deren Vizepräsident Robert Karrer. Schliesslich überbrachte der neue Luzerner Stadtpräsident die Grüsse und Wünsche des Stadtrates.
Musikalisch umrahmt wurde die Feier vom weltbekannten Luzerner Sänger Alfred Muff, Bass, und vom Luzerner Publikumsliebling Madelaine Wibom, Sopran. Sie sangen Werke von Mozart, Verdi, Bizet, Dvorak, Puccini, Lehar und Johann Strauss. Am Flügel begleitete der Musikdirektor des Luzerner Theaters, Howard Arman, die beiden Solisten.
Nach dem Festakt im Theater fand das Mittagessen im historischen Zeugherrsaal des Hotels Schweizerhof statt. Die fröhliche Gästeschar feierte den Geburtstag ihrer GGL und stiess auf deren Zukunft an.[1]
Das Geschäftsjahr 2012
Auch neben den Feierlichkeiten zu unserem Jubiläum war unser Geschäftsjahr wiederum intensiv. Der Vorstand und die Geschäftsstelle behandelten 318 Fälle, die uns als Gesuche unterbreitet wurden. 217 durften wir positiv beantworten und den Gesuchstellenden mit unseren Mitteln helfen. 101 Fälle mussten wir leider ablehnen. 2012 zählte die GGL 333 Mitglieder. Mit besonderer Freude begrüssten wir bei der GGL Peter und Clara Bucher-von Wyl, Sarnen. Peter Bucher ist mit der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft eng verbunden. Er gehört der Rütli-Delegation an und ist auch Präsident der Kommission Freiwilligenpreis. Leider mussten wir auch im vergangenen Jahr von einem lieben Mitglied Abschied nehmen. Viel zu früh verliess uns Hans Kaufmann, Entlebuch. Hans war nicht nur ein bedeutender Wirtschaftsführer, sondern auch ein hilfsbereiter und gütiger Mensch, der vielen geholfen hat. Auch unserer Gesellschaft war er ein wichtiger Berater.[2]
[1]2012 S. 7–8 · [2]2012 S. 22
Landgut Unterlöchli · Gesellschaft Altersheim Unterlöchli
2009
Eine ‹Tochter› namens Unterlöchli
Franz Kurzmeyer, Präsident der Gemeinnützigen Gesellschaft der Stadt Luzern (GGL), bezeichnete einmal die Gesellschaft Altersheim Unterlöchli als eine ‹Tochter› der GGL[1]. Am 1. März 1911 ist sie gegründet worden, um ein «gemeinnütziges Werk fürsorgender und erbarmender Nächstenliebe in absehbarer Zeit zur Ausführung zu bringen». 2009/10 wurden an die 3 Millionen Franken für einen Anbau sowie zusätzliche Räumlichkeiten für Küche und Hauswirtschaft investiert, nachdem bereits in den 1990er Jahren rund 4.5 Millionen Franken für Sanierungen aufgewendet wurden. Kernstücke des baulichen ‹Anti-Aging›-Programms waren der wunderschöne, kammermusiktaugliche Powalla-Saal mit einer Bestuhlung für 100 Personen und der Raum der Stille mit seiner eindrücklichen künstlerischen Ausstattung. Die Mehrkosten für diese beiden Kulturräume wurden in grosszügiger Weise von einer privaten Stiftung getragen.[2]
Kultur wird gross geschrieben
Seit ein paar Jahren bietet das Landgut Unterlöchli seinen Pensionären regelmässig kulturelle Angebote, zum Beispiel Konzerte und es macht die Bewohnerinnen und Bewohner mit zeitgenössischer Kunst vertraut. Wenn ein Konzert um drei Uhr beginnt, sitzen viele Interessierte schon eine halbe Stunde zuvor an ihren Plätzen. Das musikalische Programm umfasst ein breites Spektrum von Klassik bis zeitgenössische Musik. Der Powalla-Saal führte sogar zu einer Zusammenarbeit mit der Musikhochschule Luzern. So erhielten Master-Studierende der Musikhochschule die Gelegenheit zu Auftritten wie an den gutbesuchten ‹soirées lundi›.[3]
Ehrenmitgliedschaft für Hans Erni
An der Generalversammlung 2009 beantragte GGL-Präsident Franz Kurzmeyer «im Namen des einstimmigen Vorstands», dem Kunstmaler Hans Erni «die Ehrenmitgliedschaft der Gemeinnützigen Gesellschaft der Stadt Luzern zu verleihen». Er begründete seinen Antrag wie folgt: «Sehr verehrte, liebe Anwesende. Wir kommen nun zu einem Traktandum, das mich ganz besonders bewegt. Am 21. Februar ist unser grosser Luzerner Hans Erni 100 Jahre alt geworden. Vom ganzen Land, ja welt wurde ihm die mehr als verdiente Anerkennung und Ehrung zuteil. Nun kann man sich natürlich fragen, ob es da noch Sinn macht, wenn die GGL auch ihre Dankbarkeit auf eine bescheidene Weise zum Ausdruck bringt. Ich meine ja. Als ich Hans und Doris vor längerer Zeit einmal für eine Mitgliedschaft in der GGL angefragt hatte, haben sie beide sofort und spontan Ja gesagt … Hans Erni hat gespürt, dass in den Gemeinnützigen Gesellschaften zumindest der Wille vorhanden ist, sich für eine schönere und bessere Welt einzusetzen. Er ist ja nicht nur ein grosser Künstler, er ist auch ein Philosoph mit einer beeindruckenden optimistischen Grundhaltung, wie sie die Aufklärung auszeichnet. Mit seinem Engagement für die Natur und Umwelt oder gegen Krieg und Ungerechtigkeit hat er nie die Hoffnung auf Fortschritt und Besserung aufgegeben, so wie die Gemeinnützigen dies auch tun.» Mit «gewaltigem Applaus und einstimmig» wurde Hans Erni zum Ehrenmitglied gewählt. Mit «Freude und bewegten Worten verdankte er diese Ehrung».[4]
Hans Erni in seinem Atelier 2010 · Fotografin: Barbara Hess / maiak.info · Flickr
[1]Hangartner S. 99 · [2]Hangartner S. 102 · [3]Hangartner S. 102–103 · [4]Hangartner S. 83–84
2007
Auflösung des Armenvereins
An einer ausserordentlichen Sitzung beschloss der Armenverein seine Auflösung auf Ende 2007. Dieser war 1882 auf Initiative der Gemeinnützigen Gesellschaft der Stadt Luzern (GGL) ins Leben gerufen worden. Während Jahrzehnten hatte er eine rege Hilfstätigkeit im Bereich der privaten Fürsorge entfaltet. In den letzten Jahrzehnten gestaltete sich die Zusammenarbeit zwischen Armenverein und GGL immer intensiver. Walter Horcher war nicht nur Präsident des Armenvereins, sondern auch Verwalter der GGL. Die eingehenden Gesuche beider Gesellschaften wurden zunehmend koordiniert behandelt und ein Teil der administrativen Arbeiten für den Armenverein wurde durch die GGL geleistet. Beide Vereine kamen zum Schluss, dass eine abgestimmte Abwicklung der Gesuche weiterhin sichergestellt werden und dass dies am besten durch eine Integration der Mittel des Armenvereins in die GGL erfolgen sollte. Alle Mitglieder des Armenvereins traten der GGL bei, welche die bisherigen Aufgaben des Armenvereins übernahm. Zu diesem Zweck errichtete der Vorstand einen ‹Fonds ehemaliger Armenverein der Stadt Luzern› und erliess ein entsprechendes Reglement. In diesen Fonds wurde das Vermögen des aufgelösten Vereins eingebracht. Die Dotation des Armenfonds aus dem Vermögen des Armenvereins belief sich Anfang 2008 auf rund 900’000 Franken.[1]
2008 gingen die Gesuche etwas zurück. Das erstaunte, weil die GGL ja mit der Integration des Armenvereins eine zusätzliche Aufgabe übernommen und eine entsprechende Mehrarbeit erwartet hatte. Die Erklärung dafür dürfte darin liegen, dass die Weihnachtsaktion der Neuen Luzerner Zeitung 2008 einen nie dagewesenen Erfolg verzeichnete und sehr viele Mittel im sozialen Bereich ausschütten konnte.[2]
Finanzkrise
Im Jahr 2009 änderte sich die Situation. Die schwierig gewordene Lage im Finanz- und Wirtschaftsbereich führte zu einer starken Zunahme der Hilfsbegehren. Zudem verschlechterte sich auch die finanzielle Lage der GGL, da ein erheblicher Teil ihres Vermögens in Aktien investiert war. Geringere Erträge führten zu einer Reduktion der Unterstützungen. Zudem wollte man sich gegen die unsicheren Auswirkungen des neuen Gesetztes über die Pflegefinanzierung wappnen, das 2011 in Kraft treten sollte. Die Hugo-und-Annie-Grün-Stiftung nahm deshalb zusätzliche Rückstellungen vor, um für den Fall gerüstet zu sein, dass ältere Menschen in der Stadt Luzern und insbesondere auch die Bewohnerinnen und Bewohner des Alters- und Pflegeheims Unterlöchli zusätzliche Unterstützungen brauchen würden.[3]
[1][2]Hangartner S. 82 · [3]Hangartner S. 82–83
2005
Unterstützungs-‹Boom›
Im Jahr 2005 konnte die Gemeinnützige Gesellschaft der Stadt Luzern (GGL) knapp 70’000 Franken an ausserordentlichen Erträgen verbuchen. Die finanzielle Situation hatte sich in einem nicht erwarteten Ausmass verbessert. Die stillen Reserven der GGL und der ihr angeschlossenen Stiftungen nahmen um fast drei Millionen Franken zu und die Unterstützungs-Ausschüttungen konnten um fast zwanzig Prozent erhöht werden.[1]
Da der Spardruck bei der öffentlichen Hand aber unvermindert anhielt, stieg auch die Zahl der Hilfsgesuche. Über 300 Anliegen und Hilfsgesuche wurden 2006 an die GGL und ihre Stiftungen herangetragen. Ihre Erledigung beanspruchte nicht nur das Sekretariat, sondern auch die ehrenamtlich tätigen Mitglieder des Ausschusses und der Stiftungsräte stark. Es wurden über 1’600 Stunden Freiwilligenarbeit geleistet. Bewährt hatte sich die Regelung, dass der Präsident bis zu einem Betrag von 1’200 Franken allein entscheiden konnte. Damit wurde rasch und unkompliziert geholfen. Über 250’000 Franken an Unterstützungsbeitragen wurden ausbezahlt.[2]
Kulturförderung mit sozialer Komponente
Wenn immer möglich wurde versucht, den Gesuchen zu entsprechen. Franz Kurzmeyer an der Generalversammlung 2006: «Es ist berührend zu sehen, wie dankbar Gesuchstellerinnen und Gesuchsteller auch für relativ kleine Beiträge sind. Ein Blick auf die Liste der von uns unterstützten Institutionen und Projekte lohn sich. Auch wenn es sich nur um ein Segment handelt, es ist beeindruckend, wie viel in Stadt und Kanton an idealistischem Einsatz geleistet wird. Die GGL hat sich in den letzten Jahren vermehrt im kulturellen Bereich engagiert. In vielen Fällen könnten wir auch von Sozialunterstützung sprechen. Bei der Durchsicht der Budgets fällt auf, mit welch bescheidenen Ansätzen Kulturschaffende arbeiten und wie oft sie Eigenleistungen als Einnahmen verbuchen müssen.»[3]
[1][2]Hangartner S. 81 · [3]Hangartner S. 81
2002
Kein Ende mit Schrecken für die Pfandleihanstalt
In den 1990er Jahren zeichnete sich allmählich ab, dass sich das Geschäftsmodell der Pfandleihe überlebt hatte. Diese Art von Geldgeschäft war offensichtlich nicht mehr zeitgemäss. Der Spagat zwischen Gemeinnützigkeit und ausgeglichenen Rechnungen wurde immer schwieriger, das Risikomanagement immer anspruchsvoller. Für Verpfändungen kamen fast nur noch Schmuck, Gold und Uhren in Frage. Andere Pfänder unterlagen einer starken und schnellen Wertminderung. Die Aufsichtskommission schrieb in ihrem Jahresbericht 1999, dass die Gemeinnützige Gesellschaft der Stadt Luzern (GGL) rasch entscheiden müsse, wie es weitergehen solle. Zu prüfen seien die Verkürzung der Öffnungszeiten, die Aufgabe der Geschäftstätigkeit oder aber die Übergabe der Pfandleihanstalt an eine andere Organisation.[1]
2002 kam es, wie es kommen musste. Nach 116 Jahren ging die Geschichte der Pfandleihanstalt Luzern zu Ende. Immerhin war es kein Ende mit Schrecken. An der Generalversammlung der GGL vom 6. Mai 2002 wurde beschlossen, den Betrieb der Anstalt auf Ende 2002 einzustellen, wenn keine neue Trägerschaft gefunden werden könnte. Leider hatten alle angefragten Organisationen kein Interesse an einer Übernahme.[2]
[1]Hangartner S. 96 · [2]Hangartner S. 97
2000
Dunkle Wolken am Wirtschaftshimmel
Nach Krise der 1990er Jahre liess das Jahr 2000 leise Hoffnungen auf eine wirtschaftliche Erholung aufkommen. Dennoch verbesserte sich die finanzielle Lage zahlreicher wohltätiger Institutionen in den Folgejahren kaum. Der Staat wollte weiter sparen, die Spendengelder flossen spärlich. Und die Weltlage gab Anlass zu Besorgnis: Anschlag auf das World Trade Center in New York, Kriege in Afghanistan und Irak und in den darauffolgenden Jahren wirtschaftliche Probleme mit spektakulären Firmenzusammenbrüchen und Entlassungswellen. Auch die Gemeinnützige Gesellschaft der Stadt Luzern (GGL) spürte die Kursverluste an der Börse deutlich, obwohl sich ihre Einbussen dank der klugen Anlagepolitik von Hans Gisler und Rudolf Grumbacher in einem unterdurchschnittlichen Rahmen bewegten. Trotzdem sah sich die Gesellschaft gezwungen, ihre Leistungen zu reduzieren, um Kapitalverluste zu vermeiden. Vielen Anliegen konnten nur noch teilweise entsprochen werden. Neue Gesuche wurden sehr genau geprüft. Und die Aussichten blieben unerfreulich.[1]
Soziale Spannungen
Auch in der Schweiz machte sich vielerorts Verunsicherung breit. Verwalter Walter Horcher schrieb in seinem Jahresbericht 2003: «Das Denken von Shareholder-Value und Auswüchse von Managemententschädigungen einerseits und Entlassungswellen andererseits passen schlecht zur von höchster Warte aus als notwendig angekündigten Heraufsetzung des AHV-Rentenalters auf 67 Jahre … Gefragt ist mehr denn je eine Solidarisierung, die auch gegenüber den wirtschaftlich schwächeren Bevölkerungsteilen Verantwortung übernimmt».[2]
[1]Hangartner S. 79 · [2]Hangartner S. 79
Social-Values im Zeitalter des Shareholder-Values
Einführung ins Theme und Interview mit Franz Kurzmeyer in der ‹Revue der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft› (1/99) · Wirtschaftliches Denken – solidarisches Handeln? Mit der Diskussion um den Shareholder-Value ist der Eindruck entstanden, dass Unternehmer und Manager ihre Solidarität gegenüber der Gesellschaft aufgekündigt haben. Von Franz Kurzmeyer wollen wir unter anderem wissen, welche Beziehung er zwischen Shareholder-Value und Social-Values sieht und welche Konsequenzen das Gewinnmaximierungs-Denken für die Gesellschaft hat.
Herr Kurzmeyer, seit Jahren beschäftigen Sie sich mit Fragen rund um den Social-Value, sei es im Rahmen Ihrer früherer Tätigkeit als Stadtpräsident, sei es heute in Ihrer Funktion als Präsident der Gemeinnützigen Gesellschaft der Stadt Luzern. Welche Beziehung sehen Sie zwischen Shareholder-Value und Social-Value?
Unter dem Begriff des Shareholder-Value wird die Maximierung des Aktionärsinteresses als oberstes und wichtigstes Prinzip der Unternehmensführung verstanden. Über diese enge Definition hinaus ist das Shareholder-Value-Denken Teil einer Bewegung, die vor allem im angelsächsischen Raum entwickelt wurde. Sie fordert eine Marktwirtschaft ohne ‹Adjektive› und einen ‹schlanken› Staat. In ihrer extremen Ausgestaltung können diese Postulate dahingehend verstanden werden, dass vom Prinzip der sozialen Marktwirtschaft abzugehen ist und der soziale Leistungsstaat wieder auf seine Funktionen der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung, einem Grundangebot an Bildung und der Wahrung der inneren und äusseren Sicherheit reduziert werden soll. Bei einem Teil der Wirtschaft haben diese Ideen Anklang gefunden. Es wäre aber falsch, nur die Wirtschaft für diese Fokussierung verantwortlich zu machen. Anstösse dazu sind auch von der Politik und den Wirtschaftswissenschaften her gekommen.
Wie ist es Ihrer Meinung nach zu diesem Wertewandel gekommen?
Ausgangspunkt ist sicher die Überlegung, dass die Planwirtschaft des Ostens sowohl politisch wie ökonomisch versagt hat und dass die Wirtschaft in einem freien Staat besser gedeiht. Amerika mit seiner hohen Produktivität ist dafür ein gutes Beispiel. Man hat daraus den Schluss gezogen, mit der Globalisierung der Märkte und dem Wettbewerb als oberstem Marktprinzip werde auch grösstmöglicher Wohlstand erreicht. Verlangt werden deshalb auch in der Schweiz unter dem Stichwort Neoliberalismus Abbau der Vorschriften (Deregulierung), Abbau der Staatstätigkeit (Privatisierung) und Abbau von Steuern und Abgaben. Obschon selbst Liberaler, bezweifle ich, dass dies der richtige Weg ist, um eine der Wohlfahrt aller Menschen verpflichtete gerechte Gesellschaft zu schaffen.
Weshalb lässt sich das Prinzip Markt nicht auf alle gesellschaftlichen Bereiche übertragen?
Die neoliberalen Thesen sind an sich nichts Neues. Sie wurden schon im 19. Jahrhundert als sogenannter Manchesterliberalismus vorgetragen. Ich glaubte sie gerade wegen der grossen Weltwirtschaftskrisen und Depressionen in ihrem Gefolge überwunden. Wissenschafter wie Keynes oder Röpkte, Politiker wie Roosevelt mit seinem New Deal oder Ludwig Erhard mit der sozialen Marktwirtschaft haben ja den richtigen Weg gewiesen. Die menschlichen Härten, wie sie von Reagan und Thatcher mit ihrer Zweiklassengesellschaft wieder in Kauf genommen werden, können doch nicht unser Ziel sein.
Die Marktwirtschaft ‹ohne Adjektive› vergisst, dass es zwei Arten von Marktteilnehmern gibt, Gewinner und Verlierer. Um die Letzteren kümmern sie sich nicht. Was geschieht aber mit den Menschen, die das Tempo, die Anstrengungen, die Kraft, die Vitalität im beruflichen Alltag nicht oder nicht mehr aufbringen, sei es aus gesundheitlichen Gründen, wegen mangelnder Ausbildung, geringerem Können? Wie soll ein Bergbauer im Entlebuch mit einem Farmer in Kansas konkurrieren, ein ökologischen Kriterien verpflichtetes Unternehmen hier mit einer Dreckschleuder im Osten? Es braucht doch den Staat, der ausgleichend, regulierend und helfend eingreift. Dabei akzeptiere ich, dass einiges an den neuen Thesen überlegens- und prüfenswert ist.
An welche Ideen oder positiven Impulse denken Sie konkret?
Dass sowohl beim Staat wie bei der Privatwirtschaft Leistungsbereitschaft verlangt wird, ist in Ordnung. Effizienz und Kosten-Nutzen-Denken sind auch bei der öffentlichen Hand ein richtiges Postulat. So sind auch die Versuche mit dem sogenannten New Public Management weiterzuführen. Legitim ist auch das Anliegen, Regeln abzubauen, die seinerzeit in gutem Glauben aufgestellt wurden, jetzt aber überholt sind. Ich finde es auch besser, in der Gesetzgebung und beim Erlassen von Ausführungsvorschriften Ziele und Rahmenbedingungen vorzugeben, statt einen bestimmten Weg vorzuschreiben. Das setzt aber Vertrauen in die rechtsanwendenden Behörden voraus.
Nur: Das Kind darf nicht mit dem Bade ausgeschüttet werden. Das gute öffentliche Leistungsangebot des Staates, das in den letzten Jahrzehnten aufgebaut wurde, dient allen Bürgerinnen und Bürgern und ist demokratisch legitimiert. Bei den Arbeitsbedingungen hat der Staat Vorbildfunktion. Daran darf nicht gerüttelt werden. Unsere grossen Sozialversicherungswerke, mit ihrer Mischung aus dem Versicherungsgedanken und sozialer Mitverantwortung, sind nach wie vor etwas vom Besten, das von einer Gemeinschaft je geschaffen wurde. Sie sind wesentlich für den sozialen Frieden in unserem Land. Hohe Produktivität ist gut, trägt aber allein noch nicht zum allgemeinen Wohlergehen bei. Es braucht Ausgleichsmechanismen, damit es allen möglichst gut geht. Eine Marktwirtschaft muss sich deshalb auch immer an sozialen und ökologischen Kriterien orientieren und der Gerechtigkeitsidee verpflichtet sein.
Wo sehen Sie Ansätze zu einer Gegenbewegung zum Shareholder-Value-Denken?
Die Gegenbewegung äusserst sich einmal darin, dass immer mehr Menschen Angst vor diesem kalten Gewinndenken haben und befürchten, auf der Strecke zu bleiben, als Arbeitslose oder als Working Poors, d. h. als Vollzeitbeschäftigte, deren Lohn die Lebenshaltungskosten nicht deckt. Das ist bedrückend, denn hier versagt ein System, wenn Menschen ihre ganze Kraft für die Arbeit aufwenden und ihr Existenzminimum doch nicht sichern können. Im politischen Bereich, in dem die Betroffenen ein Mitbestimmungsrecht haben, werden daher jene Parteien Zuspruch erhalten, die einen starken Sozialstaat unterstützten, aber auch weltweit eine soziale Marktwirtschaft mit entsprechenden internationalen und supranationalen Instrumenten verlangen.
Wie lassen sich die oben erwähnten positiven Impulse aufnehmen, ohne das Kind mit dem Bade auszuschütten?
Wichtig ist, dass wir alle jene Kräfte in der Wirtschaft unterstützen und aufmuntern, die für ihr Unternehmen eine ganzheitliche Politik verfolgen, neben den Aktionärsinteressen auch solche ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ihrer Kunden etc. berücksichtigen und die sich auch ethischen Grundsätzen verpflichtet fühlen (Stakeholder-Value). Das sind in unserem Land glücklicherweise sehr viele.
Können Sie diese Idee anhand Ihrer Erfahrung als Stadtpräsident näher ausführen?
Ich hatte das Grosse Glück, auf Unternehmer zu treffen oder mit ihnen zusammenzuarbeiten, die wirtschaftlich und gemeinschaftsbezogen denken. Der Vorteil in unsrem kleinräumigen Land ist ja, dass man sich kennt. Wir sind in Luzern Probleme partnerschaftlich angegangen und konnten gemeinsam viele Projekte verwirklichen. Diese Art der Zusammenarbeit zwischen der öffentlichen Hand und privater Wirtschaft war für mich vorbildlich. Als leuchtendes Beispiel denke ich hier an das neue Kultur- und Kongresszentrum im Nouvel-Bau am See.
Welche Probleme stehen solchen Lösungen auch auf nationaler oder internationaler Ebene im Weg, und gibt es Ansatzpunkte, um diese Probleme zu überwinden?
Es stimmt nachdenklich, dass wir eine gut ausgebaute Demokratie haben, deren Regeln infolge der Globalisierung aber immer weniger greifen. Hier kann eine Rückbesinnung auf die wirklichen Ziele der Gesellschaft helfen. Durch internationale Zusammenarbeit muss das Primat der Politik wieder hergestellt werden, einer Politik, die den Menschen und die menschliche Würde in das Zentrum ihres Denkens stellt.
Interessant scheinen mir auch die Gedanken, die auf die Frage zielen, wer denn letztlich die Aktionäre sind, deren Gewinne maximiert werden sollen. Sind es nicht die gleichen Bürgerinnen und Bürger, welche von den Auswirkungen des Shareholder-Value-Denkens mitbetroffen sind? Wie steht es um die vielen Pensionskassen, Vorsorgeinstitute, Stiftungen? Entpuppen sie sich nicht als schlafender Riese, der eines Tages seine Marktmacht im Sinne der sozialen Marktwirtschaft zum Tragen bringt? Es braucht ja nicht immer ein gewitzter Raider zu sein, der seine Vorstellungen von Anlagepolitik Unternehmern aufzuzwingen versucht.
Welchen Beitrag können Gemeinnützige Gesellschaften leisten?
Das Projekt Seitenwechsel der Gemeinnützigen Gesellschaft macht sichtbar, wie unsere Probleme am besten gelöst werden können. Gegenseitige Rücksichtnahme, die Erkenntnis, dass Freiheit immer auch Eigenverantwortung und Mitverantwortung bedeutet, sich einzusetzen für das allgemeine Wohl im Staat und im privaten Bereich: Es gibt wohl nichts Besseres, um Sinn in unser Leben zu bringen. Darum bleiben die Gemeinnützigen Gesellschaften und ihre Ziele so aktuelle wie eh und je.
1998
Eine aussergewöhnliche Wahl
Die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft (SGG) spielte für die Gemeinnützige Gesellschaft der Stadt Luzern (GGL) meistens eine Nebenrolle. Die Mitglieder wurden über die Tätigkeit der SGG zwar regelmässig informiert, deren Aktivitäten aber fanden keinen oder nur geringen Niederschlag im Alltag der GGL. Das änderte sich 1998. Nach dem Rücktritt von Heinrich Tuggener wurde zum ersten Mal nicht ein männlicher Vertreter der liberalen reformierten Zürcher Politik- und Bildungselite zum Präsidenten der SGG gewählt. Nachfolgerin wurde die Luzerner CVP-Politikerin und alt Nationalratspräsidentin Judith Stamm. Aus innerorganisatorischer Sicht stand die Wahl für einen Erneuerungswillen, den man sich errungen hatte und nicht zuletzt gegen aussen zeigen wollte. Dass sich Judith Stamm bisher in der organisierten Gemeinnützigkeit nicht engagiert hatte, fiel nicht ins Gewicht. Um so mehr aber ihr Profil als national bekannte Persönlichkeit, fortschrittlich, gelegentlich auch unbequeme Frauen-Politikerin mit Sinn für soziale Anliegen. Jetzt war das Interesse geweckt. Franz Kurzmeyer, Hans Gisler und Walter Hocher besuchten die SGG-Jahresversammlung 1999 in Bern und berichteten stolz, dass ‹unsere› Judith Stamm die Veranstaltung zielgerichtet, speditiv und souverän, wie es nicht anders zu erwarten war, geleitet habe und dass die Jahresversammlung 2000 in Luzern stattfinden werde.[1]
Verstärkte Zusammenarbeit
Luzern hatte die Ehre, zum achten Mal in der Geschichte die Jahresversammlung der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG) zu beherbergen. Der offizielle Teil im Kultur- und Kongresszentrum KKL bot die Gelegenheit, das von der GGL unterstützte neue Luzerner Wahrzeichen der modernen Architektur zu präsentieren. GGL-Präsident Franz Kurzmeyer hiess am 18. Oktober 2000 mit einem markanten Grusswort die Vertreter der Gemeinnützigen Gesellschaften aus der ganzen Schweiz unter der Zentralpräsidentin Judith Stamm willkommen. Er wies auf die grossen Leistungen der SGG und der ihr angeschlossenen Gesellschaften in der Vergangenheit im sozialen und kulturellen Bereich hin und unterstrich deren aktuelle Bedeutung. Der Veranstaltung fand am zweiten Tag ihren Ausklang mit der Besichtigung des Bourbaki-Panoramas und einer Schifffahrt auf dem Vierwaldstättersee.[2]
Die Beziehung zur SGG, der Muttergesellschaft, blieben ausgezeichnet. Für Franz Kurzmeyer war es sehr wertvoll, dass er während einiger Jahre auch Mitglied des Vorstands der SGG war. Er fühlte sich in diesem Gremium ausgesprochen wohl und die GGL konnte häufig von der Erfahrungen der SGG profitieren. Als besonders vermerkte der Präsident an der Generalversammlung 2003, «dass wir in Fällen, bei denen wir nicht oder nicht genügend helfen können, Gesuche an die SGG weiterleiten dürfen».[3]
[1]Hangartner S. 75 · [2]Hangartner S. 76–77 · [3]Hangartner S. 77
1994
Die GGL und das KKL
Mit 65.7% der Stimmen bewilligen die Stimmberechtigten der Stadt Luzern 94 Millionen Franken für den Bau eines neuen Kultur- und Kongresszentrums.[1] Auch die Gemeinnützige Gesellschaft der Stadt Luzern (GGL) unterstützte dieses Projekt mit ideellen und materiellen Ressourcen. An vorderster Front mit dabei Franz Kurzmeyer, dem grossen Förderer des KKL. In den wirtschaftlich stagnierenden 1990er-Jahren wurde das KKL zum grossen Projekt des Aufbruchs und der Krisenüberwindung. Das 226,5 Millionen Franken teure Grossprojekt bekam die Bedeutung einer Investition in eine bessere Zukunft.[2]
Der Luzerner ‹Kulturfrieden›
Das KKL wurde nicht als ein Haus bloss für elitäre Hochkultur konzipiert, sondern auch als Veranstaltungsort für Vereine. Dennoch erntete das Grossprojekt massive Kritik. Vor allem die links-alternative Kulturszene, die seit den 1980er-Jahren kulturelle Freiräume forderte und sich heftig gegen den Abbruch des alten Kunst- und Kongresshauses von Armin Meili zur Wehr setzte, hatte keine Sympathie für eine Grossinvestition in einen Tempel der etablierten Hochkultur. Die Stadt fand hier unter Federführung von Franz Kurzmeyer einen besänftigenden Ausweg, indem sie grünes Licht zur schon länger geforderten Umgestaltung der alten Schlauchfabrik Boa in ein Kulturzentrum gab, das später vom ‹Südpol› abgelöst wurde. Als weitere Kompensationen zum KKL realisierte Orte der Alternativkultur entstanden die ‹Schüür‹ und der ‹Sedel› sowie die ‹Kunsthalle› im Bourbaki Panorama. Aus der alternativen Kulturszene kam unter anderem auch die Initiative zum Pop- und Rockfestival ‹Blue Balls›, das 1999 erstmals stattfand.[3]
[1]KKL Web · [2]Schumacher S. 210 · [3]Schumacher S. 210–213
1990
Im Zeichen der Wachablösung
Die Generalversammlung 1990 stand ganz im Zeichen der Wachablösung, traten doch gleich drei langjährige Vorstandsmitglieder zurück, nämlich Präsident Hans L.F. Meyer, Finanzberater Walter Jaeger sowie Beisitzer Arnold Weber. In der Würdigung des abtretenden Präsidenten betonte Franz Kurzmeyer die originelle und humorvolle Art, wie Dr. Meyer sich seiner Aufgabe zu entledigen wusste. Diese habe immer wieder viel Heiterkeit in die Behandlung der Geschäfte gebracht. Hans L.F. Meyer wurde zum Ehrenpräsidenten ernannt.[1]
Als neuer Präsident wurde Stadtpräsident Franz Kurzmeyer gewählt, als Finanzberater Hans Gisler, Hauptprokurist der Schweizerischen Volksbank, als Beisitzer Regina Wangler, Fachbearbeiterin Konkursamt und Peter Camenzind, Direktor Zürich-Versicherung.[2]
Unter dem neuen Präsidium wurde die Steiger-Pfyffer-Stiftung im Einverständnis mit dem Luzerner Regierungsrat aufgelöst. Die frei gewordenen Mittel wurden in einen gleichnamigen Fonds überführt. Dieser bezweckt die Leistung von Beiträgen zur Förderung der Jugendbildung. Diese können an Jugendliche und Erwachsene bis zum 25. Altersjahr oder an Institutionen ausgerichtet werden, die im Dienste der Jugendarbeit wirken.[3]
[1][2][3]Hangartner S. 69
1985
Nora Meyer-Steineg
Die Augenärztin Nora Meyer-Steineg, die im September 1985 verstarb, vermachte der Gemeinnützigen Gesellschaft der Stadt Luzern (GGL) «zum Dank an alt Regierungsrat Werner Kurzmeyer für seine selbstlose Hilfe in meinen schweren Zeiten» rund 70’000 Franken. Ehrenpräsident Werner Kurzmeyer orientierte an der Vorstandssitzung vom 4. Dezember 1985 über Herkunft und Person der Erblasserin sowie über die Umstände, die Frau Meyer-Steineg zur Erbeinsetzung veranlasst hatten:[1]
«Dr. med. Nora Meyer-Steineg, Augenärztin FMH, war die Tochter eines Tübinger Professors für Augenheilkunde. Ihr Vater galt als bedeutender Wissenschafter und war Verfasser der Geschichte der Chirurgie in Deutschland. Er hatte berufliche Beziehungen mit Augenärzten in der Schweiz, so auch mit dem damaligen Chefarzt der Augenklinik am Kantonsspital Luzern, Prof. Dr. Hegner. Die Mutter war ebenfalls akademisch orientiert, sie war Jüdin und wurde vom Schwerstverbrecher Hitler in Auschwitz ermordet. Das furchtbare Ereignis hat ihre Tochter (sie hatte noch Geschwister in Westberlin) stets begleitet, wenn man das so sagen darf. Nora Meyer-Steineg (der Name klingt als Doppelname, ist aber eine Einheit) kam unmittelbar vor dem Krieg mit deutschem Arztpatent und akademischem Ausweis als Augenärztin nach Luzern, wo sie bei Prof. Hegner als Assistentin an unserer Augenklinik sehr anerkannte Betätigung fand. Anlässlich eines Inspektionsbesuches während der Mobilmachung durch den Oberfeldarzt fand der Inspizient sehr anerkennende Worte für das fachlich-chirurgische Können von Dr. Nora Meyer-Steineg. Es traten nun aber sehr persönliche Verhältnisse ein, die Nora Meyer-Steineg veranlassten, bei Prof. Hegner wegzugehen …
Durch eine gemeinsame Bekannte wandte sich Nora Meyer-Steineg an mich. Sie war auch mit meinem Arzt, Dr. med. Hans Meier-Schefer, befreundet. Ich leitete die Einbürgerung ein und nahm Kontakt auf mit der medizinischen Fakultät der Universität Zürich für das Schweiz. Staatsexamen, das Nora Meyer-Steineg in der Folge glänzend bestand. Ich half ihr zur selbständigen, sehr gut frequentierten Praxis an der Morgartenstrasse in Luzern, wo Nora Meyer-Steineg jahrelang tätig war, bis sie aus gesundheitlichen Gründen ihre Praxis aufgeben musste. Ihre letzten Jahre verbrachte die Kränkliche zurückgezogen im ‹Heim im Bergli›. … Ich habe mit Frau Dr. Nora Meyer-Steineg bis an ihr Ende immer gute Beziehungen gepflogen. Sie war ein gütiger Mensch.»[2]
[1][2]Hangartner S. 46–47
1982
Ruhiger Kurs nach dem Präsidentenwechsel
Auf Ende 1982 trat alt Nationalrat und alt Regierungsrat Werner Kurzmeyer als Präsident der Gemeinnützigen Gesellschaft der Stadt Luzern (GGL) zurück. Während fast 30 Jahren hat sein Wissen und seine Erfahrung auf menschliche Art der GGL zur Verfügung gestellt. Aufgrund seiner grossen Verdienste wurde er zum Ehrenpräsidenten der GGL ernannt. Bereits an der Generalversammlung vom 13. Mai 1982 war mit Amtsantritt 1. Januar 1983 der bisherige Vizepräsident, Hans L.F. Meyer, zum Präsidenten gewählt worden. Die übrigen Vorstandsmitglieder wurden bestätigt.[1]
Unter dem Präsidium von Hans L.F. Meyer steuerte die GGL einen ruhigen Kurs. Trotz allgemeinem Wohlstand gab es immer noch Menschen, die auf Unterstützung angewiesen waren. Arbeitslose, Betagte, die nur von der AHV lebten und den Weg zu den Sozialämtern scheuten, oder Jugendliche, die nur dank Stipendien ihre Ausbildung absolvieren konnten. Sie alle klopften bei der GGL an. Nicht zuletzt die angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt führte zu einer neuen Art von Armut. Die private Hilfe war deshalb nach wie vor notwendig.[2]
Hatte sich der Verwalter in der Vergangenheit noch darüber beklagt, dass die GGL kaum Schenkungen oder Legate erhalte, durften Jahre später überaus grosszügige Zuwendungen vermeldet werden. So überwies Rudolf Grumbacher 1982 einen Betrag von 50’000 Franken zur Verwendung für die von der GGL verwalteten Max und Elisabeth Grumbacher-Stiftung. 15 Jahre später, nach dem Tod von Werner Kurzmeyer, überwies die Familie Grumbacher in Würdigung seiner grossen Verdienste der gleichnamigen Stiftung erneut 10’000 Franken. Im Andenken an den 2004 verstorbenen Rudolf Grumbacher erhielt die Grumbacher-Stiftung 2005 noch einmal 100’000 Franken.[3]
[1]Hangartner S. 45 · [2]Hangartner S. 48 · [3]Hangartner S. 46
1978
800 Jahre Stadt Luzern – Stube oder Panorama?
1978 feierte die Stadt Luzern ihr 800-jähriges Bestehen. Als städtische Gesellschaft machte sich die GGL deshalb Gedanken, wie auch sie zu diesem Jubiläum einen besonderen Beitrag leisten könnte. Dem Ausschuss war im Juni 1977 zu Ohren gekommen, dass Frieda Schlapfer allenfalls bereit wäre, die aus antiken Möbeln und Einrichtungsgegenständen bestehende Stube des ehemaligen Gasthauses Dubeli in Luzern gesamthaft zu veräussern. Der Ausschuss erachtete den Erwerb und den Einbau dieser Stube im Amrhyn-Haus als würdige und angemessene Jubiläumsgabe. Er wollte dafür 10’000 Franken aufwenden und beauftragte im Juni die Galerie Fischer und den kantonalen Denkmalpfleger André Meyer mit der Besichtigung und fachmännischen Begutachtung des Objekts. Auch ein Name für die neue Stube war bereits gefunden worden. Sie sollte im Andenken an die grossen Verdienste des langjährigen Vorstandsmitglieds Dr. L.F. Meyer-Endemann-Stube heissen. Anfang November musste der Präsident dem Ausschuss jedoch mitteilen, dass die Erben für die Stube 60’000 Franken verlangten. Im Protokoll wurde vermerkt: «Damit ist das Geschäft gegenstandslos geworden».[1]
Wohl nach einigem Hin und Her und unter einem gewissen Zeitdruck fand der Ausschuss im März 1978 dann doch noch eine würdige Gabe an die Stadt. Im Einvernehmen mit der Baudirektion schenkte die GGL der Stadt ein Alpenpanorama, das bei der Kanzel des neuen Seeuferweges vor der Hausermatte aufgestellt wurde. Als Widmung sollte auf der Tafel stehen: Die Gemeinnützige Gesellschaft der Stadt Luzern ihrer Stadt zum Jubiläum 1178–1978. Kosten sollte das Panorama rund 10’000 Franken. Kurz vor der offiziellen Übergabe an die Stdt tauchten aber Probleme auf. Mitte November stellte der Ausschuss fest, dass die bereits installiere Tafel nicht in allen Teilen befriedigte. Sie sollte höher angebracht werden. Die dafür notwendigen Mehrkosten beliefen sich auf 6’000 Franken. Am 24. November fand die offizielle Übergabefeier statt.[2]
Überfall
Am Nachmittag des 14. August 1978 überfielen zwei maskierte junge Männer die Pfandleihanstalt in der Münzgasse. Die Verwalterin Marie Pauli wurde brutal niedergeschlagen. Aus dem Kassenschrank fielen den Räubern 618 Franken 30 Rappen in bar und Schmuckgegenstände im Schatzwert von 4’540 Franken in die Hände. Weil sie gestört wurden, brachen sie den Überfall ab. Die Täter konnten wenige Tage später, nicht zuletzt dank Hinweisen einer Frau aus Ebikon, gefasst werden. Die GGL überreichte der Frau 1’000 Franken, die der Ausschuss als Fahndungsprämie ausgesetzt hatte. Der Polizei gelang es, bei einem Hehler in Basel Raubgut im Wert von 2’300 Franken zu beschlagnahmen. Der Schaden rund 3’000 Franken wurde durch die Versicherung voll gedeckt. Glücklicherweise waren die Kopfverletzungen, die der Verwalterin mit einem Pistolengriff beigebracht worden waren, nur geringfügiger Art, so dass Marie Pauli noch gleichentags das Spital wieder verlassen konnte. Der Ausschuss bewilligte für die Verwalterin eine Art Schmerzensgeld in der Höhe von 500 Franken. Unter dem Eindruck der Ereignisse wurde in Pfandleihanstalt eine Alarmsirene zum Preis von 1’500 Franken montiert.[3]
[1]Hangartner S. 33–34 · [2]Hangartner S. 34 · [3]Hangartner S. 94
1971
Alles nahm seinen gewohnten Gang
Zu Beginn der 1970er Jahre stand bei der GGL das Alltagsgeschäft im Vordergrund. Die Fürsorgetätigkeit wickelte sich im gewohnten Rahmen ab. Unterstützungsbeiträge wurden speditiv geprüft und oft schnell und grosszügig entschieden. Erhebliche Beiträge im fünfstelligen Bereich wurden beispielsweise für den Umbau des Kinderheims Sommerau oder für den Neubau der evangelischen Kinderkrippe Rohheim an der Horwerstrasse bewilligt. Auch das Gesuch der 1914 von der GGL gegründeten Brockenhausgesellschaft um Übernahme einer Hypothek für das Wohn- und Geschäftshaus an der Obergrundstrasse 87 wurde positiv entschieden. Alles nahm seinen gewohnten Gang, unspektakulär, aber wirkungsvoll.[1]
[1]Hangartner S. 28–29
1965
‹Business as usual›
Noch liessen die grossen Taten auf sich warten. Trotz guter Ideen gediehen die angedachten grossen Projekte nie über das Planungsstadium hinaus. Letztlich ausschlaggebend dafür waren die beschränkten (knappen) Mittel. Man wollte nicht alles auf eine Karte setzen und versuchte, die laufenden Verpflichtungen ohne Substanzverluste zu decken.[1]
Dank der in den Vorjahren durchgeführten Aktionen zur Mitgliederwerbung belief sich der Mitgliederbestand der Gemeinnützigen Gesellschaft der Stadt Luzern (GGL) Mitte der 1960er Jahre auf rund 600 Personen. Der Jahresbeitrag wurde der 1960er Jahre nach langer Diskussion von 3 auf 4 Franken erhöht. Jedes Jahr wurden rund fünfzig Unternehmen in der Stadt Luzern und in der Agglomeration um Spenden angegangen. Besonders die Firmen Viscose AG, Gebr. Ackermann AG in Entlebuch, Baumaterial AG Luzern, Brauerei Eichhof und Bucherer AG Luzern zeigten ein offenes Ohr und überwiesen regelmässig jährliche Beiträge in Höhe von 50 bis 200 Franken. Jedes Jahr kamen so zwischen 1’500 und 2’500 Franken in die Kasse der GGL. Das Modehaus De Boer stellte über Jahre Lebensmittelgutscheine im Betrag von 2’000 Franken zur Verfügung, die jeweils als Weihnachtsgabe an rund 50 Familien verteilt wurden. Die Treuhandfirma Züsli & Morf verzichtete auf die Rechnung für die Revision einer Stiftung. Zusammen mit den Kapitalerträgen verfügte die GGL daher in diesen Jahren über ausreichend Geld für ihre laufende Fürsorgetätigkeit. Dazu gehörten unter anderem die monatliche Abgabe von rund 250 bis 300 Lebensmittelgutscheinen im Betrag von 10 bis 40 Franken an nicht armengenössige Einzelpersonen und Familien, von rund 50 Gutscheinen für Heizmaterial und bis zu hundert Barunterstützungen zwischen 10 und 100 Franken. Zudem wurden – neben der Einzelhilfe – jeweils Stipendien an Studenten und Lehrlinge im Gesamtbetrag von 1’000 bis 5’100 Franken und diverse, zum Teil grössere Beiträge für kulturelle Zwecke bewilligt. Dazu gehörte zum Bespiel die Unterstützung der Stadtmusik oder der Pfadi Musegg, die im Jahr 1963 je 2’000 Franken erhielten.[2]
Die Gutscheine für Lebensmittel und Heizmaterial sowie die Barunterstützungen erscheinen aus heutiger Sicht eher bescheiden, waren aber für die Empfänger oft eine grosse Erleichterung. Im Jahresbericht 1965 schrieb Verwalter Edy Camenzind: «Es ist doch sehr erstaunlich und auch betrüblich, dass in einem so reichen Land wie der Schweiz nach zwanzig Jahren Hochkonjunktur nicht wenig alte Leute in Armut oder hart an der Grenze der Armengenössigkeit leben.»[3]
Trenzen-Stiftung – Mittel für grosse Taten
Obwohl die GGL Jahr für Jahr ihrem gemeinnützigen Auftrag nachkam und vielen Menschen in Not helfen konnte, waren die Mitglieder des Ausschusses unzufrieden. Für die grosse Tat fehlte das Geld. Verwalter Edy Camenzind glaubte zu wissen, woran es lag. Mehrmals beklagte er sich in den Jahresberichten über die ausbleibenden Vermächtnisse und Legate: «Wenn man die Jahresberichte anderer gemeinnütziger Gesellschaften liest, die immer wieder testamentarische Vermächtnisse erwähnen, scheint die GGL seit dem Ableben unseres hochverehrten und unvergesslichen Gönners, Dr. L.F. Meyer, von den Luzerner Advokaten in Vergessenheit geraten zu sein … Wäre vielleicht einmal ein Zirkular an alle Anwälte der Stadt Luzern in Erwägung zu ziehen?»[4]
Elf Jahre nach ihrem Mann verstarb im April 1965 Christine Trenzen-Ludwig. Carl und Christine Trenzen-Ludwig waren heimatberechtigt und wohnhaft gewesen in Luzern. Sie vermachten ihr Vermögen von rund 1 Million Franken der GGL bzw. der zu errichtenden Trenzen-Stiftung. Zweck der Stiftung ist die Unterstützung von Hilfsbedürftigen, die Fürsorge für unverschuldet in Notlage geratene Personen, insbesondere für verschämte Arme und für elternlose Kinder. Die neue Stiftung und deren erhebliche finanzielle Möglichkeiten veranlassten den Ausschuss zu einer Diskussion über Aufgaben und Zweckverfolgung der GGL. Er kam zum Schluss, dass die Gesellschaft nun in der Lage wäre, eine Liegenschaft in der Stadt Luzern zu erwerben und diese gemeinnützigen Zwecken zuzuführen. Die Einzelunterstützungen und die Stipendien sollten wie bis anhin weiter ausgerichtet werden. In der Folge stiegen zunächst vor allem die Vergaben für kulturelle Zwecke. Dafür wurden 1968 total 12’038.50 Franken aufgewendet, 1969 waren es bereits 50’000 Franken.[5]
[1][2][3]Hangartner S. 22 · [4]Hangartner S. 23 · [5]Hangartner S. 23–24
1963
Reorganisation der Verwaltung
Im Februar 1963 starb der Vizepräsident und Verwalter der Gemeinnützigen Gesellschaft der Stadt Luzern (GGL), Hans Moser. An einer kurzfristig anberaumten Ausschuss-Sitzung wurde am 19. Februar Franz Wangler beauftragt, bis 1. März Bericht und Antrag für die Regelung der Nachfolge und die Reorganisation der Verwaltung zu unterbreiten. Am 1. März wurde Paul Kopp zum neuen Vizepräsidenten bestimmt, Eduard ‹Edy› Camenzind zum Kassier der GGL sowie zum Kassier und Aktuar aller Stiftungen ernannt.[1]
[1]Hangartner S. 20
1962
Die ersten 150 Jahre
Die ersten Jahrzehnte der Gemeinnützigen Gesellschaft der Stadt Luzern (GGL), wie ihr Name seit 1854 offiziell lautet, widerspiegelten die politisch bewegte Zeit bis nach der Gründung des Bundesstaates. Immer wieder haben sich engagierte Männer finden lassen, die auch in schwierigen Zeiten die Ziele der GGL unentwegt und unbeirrt verfolgt haben. Im Laufe der Zeit hat sich der Wirkungsbereich der GGL stark verändert. Die grossen Themen spielten innerhalb der Gesellschaft immer weniger die zentrale Rolle, weil der Staat im Laufe der Zeit diese Aufgaben übernommen hatte. Im Vordergrund stand daher immer häufiger die Einzelhilfe, vom Stipendium über die Bezahlung von alten Schulden, Zahnarzt- oder Telefonrechnungen, Brillengestellen bis hin zur Unterstützung nach einem Einbruch.[1]
Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war die GGL vor allem eine Unterstützungsgesellschaft, die privates Geld verwaltete, mehrte und zu wohltätigen Zwecken einsetzte. Das ist sie auch heute noch. Wie in der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG) gehörten die meisten Akteure der GGL zur politisch und sozial tätigen Elite. Sie waren indessen nicht gewillt, politisch kontroverse Themen innerhalb der Gesellschaft zu diskutieren und dort Lösungen über aktuelle gesellschaftliche Probleme zu suchen. Stadtpräsidenten, Regierungsräte und Nationalräte, Bankdirektoren, Advokaten und Rektoren trennten Amt und Beruf vom Ehrenamt. Sie orientierten sich an praktischen Resultaten und verstanden sich in erster Linie als Gleichgesinnte, mehr noch als Freunde, die sich der Gemeinnützigkeit verpflichtet fühlten.[2]
Es wäre aber falsch zu glauben, dass sich die GGL-Mitglieder den grossen politischen Problemen ihrer Zeit nicht gestellt hätten. Im Gegenteil: Die Präsidenten Max S. Wey und Werner Kurzmeyer sind dafür beredte Beispiele. Der eine hat engagiert für die Einführung der AHV, der andere erfolgreich für das Frauenstimmrecht auf nationaler Ebene gekämpft. Der Vollständigkeit und Ehrlichkeit halber sei aber angemerkt, dass die GGL bis gegen die Jahrtausendwende eine Männergesellschaft geblieben ist und Frauen in den Führungsgremien erst heute vertreten sind.[3]
Gut gerüstet für die Zukunft
Zu Beginn der 1960er Jahre war die GGL personell und organisatorisch gut aufgestellt, obwohl dem ständigen Mitgliederschwund mit gezielten Werbeaktionen begegnet werden musste. Die Gremien arbeiteten speditiv und administrative Probleme wurden professionell bearbeitet. Der Vorstand setzte sich 1962 personell wie folgt zusammen: Werner Kurzmeyer, Präsident seit 1954; Hans Moser, Vizepräsident und Verwalter; Franz Wangler, Aktuar; Eduard ‹Edy› Camenzind, Fürsorger; Stadtpräsident Paul Kopp; Franz Wismer; Hans L.F. Meyer und Max Kesselring-Steiger. Es waren in der Tat selbstbewusste Männer, die an der Spitze der GGL standen: Präsidenten, die im Luzerner Grossen und Kleinen Rat zu entscheiden wussten, Verwalter, die mit den Problemen der Menschen wirklich vertraut waren, kompetente und speditive Mitarbeiter, die den Präsidenten administrativ und organisatorisch unterstützten und dafür sorgten, dass das ‹Netzwerk GGL› schnell und unbürokratisch arbeiten konnte. Auch wenn bei der Lektüre der alten Protokolle manchmal der Eindruck von ‹Gemeinnützigkeit nach Gutsherrenart› nicht vermeiden lässt, verstand die GGL ihre Hilfe keineswegs als Gnadenakt der ‹hohen Herren aus Luzern›. Grundlage für die Entscheidungen war eine zutiefst soziale Haltung, mehr noch eine persönliche Verpflichtung zu helfen, ein Verantwortungsgefühl für die Gemeinschaft, das aber unausgesprochen voraussetzte, dass sich die Hilfsbedürftigen auch helfen lassen wollten … [4]
[1]Hangartner S. 7–9 · [2][3]Hangartner S. 6 · [4]Hangartner S. 14–15
1955
Neuorganisation der Pfandleihanstalt
1955 beschäftige sich der Vorstand der Gemeinnützigen Gesellschaft der Stadt Luzern (GGL) eingehend mit der Pfandleihanstalt, dem ‹Sorgenkind› der GGL. Es ging um die Frage der Weiterführung. Er beschloss, nach eingehender Beratung, die Pfandleihanstalt als Institution der GGL zwar weiterzuführen, sie aber einer ‹Kur› zu unterziehen. Unter Federführung von Franz Wangler wurden organisatorische und personelle Massnahmen getroffen, um mittelfristig einen selbsttragenden Betrieb der Anstalt zu gewährleisten. Das Arbeitsverhältnis mit Verwalter Heim wurde im gegenseitigen Einverständnis auf Ende Jahr aufgelöst. Bereits ab November leitete Marie Pauli-Winterberger die Pfandleihanstalt selbständig. Als Mitarbeiter konnte der pensonierte Postobergehilfe Josef Siedler gewonnen werden. Zur Aufrechterhaltung des Betriebs wurde der Anstalt eine – nach Einsicht in den vorläufigen Geschäftsabschluss festzulegende – jährliche Subvention bewilligt. Zudem sollte für den Betrieb der Pfandleihanstalt ein Reglement erstellt werden. Für die Mitarbeitenden wurden unabhängig von den Geschäftsergebnissen fixe Löhne festgesetzt, Gratifikationen und Sitzungsgelder nicht mehr ausgerichtet. Der Verwalter erhielt für sein 50-Prozent-Pensum rund 5’500 Franken im Jahr und die Angestellten, die wöchentlich 6–7 Stunden arbeiteten, monatlich 280 Franken. Zudem wurden die beiden Revisoren verpflichtet, jährlich zwei Hauptrevisionen und fünf bis sechs Zwischenrevisionen durchzuführen.[1]
Die Wende
Die getroffenen Massnahmen, die engagierte Führung und Aufsicht durch Franz Wangler und Hans Moser machten sich schnell bezahlt. Schon im Folgejahr konnte ein Betriebsüberschuss ausgewiesen werden. Im Jahresbericht 1958 ist keine Rede mehr von einem ‹Sorgenkind›: «Die Pfandleihanstalt der Gemeinnützigen Gesellschaft der Stadt Luzern erstrebt keinen Gewinn, soll sich aber nach der Auffassung des Vorstands … selber erhalten. Die Anstalt verfolgt den gemeinnützigen Zweck der Darlehensgewährung an minderbemittelte Kreditsucher. Wenn dieser Zweck im Auge behalten wird, so darf das Rechnungsergebnis des Berichtsjahres 1958 als in jeder Hinsicht erfreulich und gesund bewertet werden.» Das sollte auch in den Folgejahren so bleiben. Erst 1970 musste dann, erstmals nach der Neuorganisation, ein kleiner Betriebsverlust vermeldet werden.[2]
‹Einfrau-Betrieb›
Am 1. September 1939 musste der damalige Verwalter der Pfandleihanstalt Emil Heim in den Aktivdienst einrücken. Die Anstalt hätte geschlossen werden müssen, wäre nicht Marie Pauli-Winterberger eingesprungen. Auch nach der Wiederaufnahme der Verwaltertätigkeit durch Emil Heim blieb Marie Pauli als Mitarbeiterin im Dienste der Pfandleihanstalt. Ab November 1955 leitete sie die Anstalt selbständig, nach dem Rücktritt von Josef Siedler dann als ‹Einfrau-Betrieb›. Marie Pauli arbeitete während 45 Jahren in der Pfandleihanstalt der GGL. Ihre Nachfolgerin wurde Anneliese Christen-Pietsch.[3]
[1]Hangartner S. 91–92 · [2]Hangartner S. 93 · [2]Hangartner S. 94–95
1954
Beginn der Ära Werner Kurzmeyer
Mit der Übernahme des Präsidiums der Gemeinnützigen Gesellschaft der Stadt Luzern (GGL) durch Regierungsrat Werner Kurzmeyer im Jahr 1954 ändert sich der Führungsstil in der GGL. Nicht zuletzt dank Vizepräsident Hans Moser-Schär und Aktuar Franz Wangler wurde die Verwaltungsarbeit professioneller. Die Sitzungen fanden in regelmässigem Turnus statt, die Beschlussprotokolle waren kurz, vollständig und wurden rechtzeitig zugestellt. Es ging geschäftlicher zu, Aktennotizen wurden verfasst und neu amtete eine Geschäftsleitung.[1]
Der neue Präsident wollte neue Wege beschreiten. Wohin diese Wege führen sollten, wurde an der Vorstandssitzung vom 1. Juli 1954 diskutiert. Stadtpräsident Paul Kopp machte sich für die Unterstützung von kulturellen Projekten stark. Die GGL solle die städtische Volksbibliothek an der Rössligasse übernehmen, Sprachkurse organisieren, Volksvorstellungen im Stadttheater ermöglichen und sich der Freizeitgestaltung für Jungendliche annehmen, allenfalls ein Freizeitzentrum errichten und betreiben. Kurzmeyer regte an, dafür die individuelle Unterstützung zu reduzieren, denn die geistige Volkswohlfahrt gehört zu den Hauptaufgaben der Gesellschaft. Er verwies dabei auf die Statuten der GGL. Nationalrat L.F. Meyer unterstützte die Vorschläge von Kopp, insbesondere das Engagement für die Volksbibliothek und die Idee, Volksvorstellungen im Stadttheater zu ermöglichen. Der Vorstand beschloss, die Anregungen von Kopp aufzunehmen und auch zu prüfen, wie die Finanzierung gesichert werden könnte.[2]
Barbara-Stiftung
1954 durfte die GGL eine weitere Stiftung, die Barbara-Stiftung, unter ihr Dach aufnehmen. Die von der GGL verwaltete Barbara-Stiftung bezweckt die «Fürsorge unverschuldet in Not geratener Personen, ohne Rücksicht auf deren Nationalität oder Konfession, besonders im Gebiete von Stadt und Kanton Luzern, ferner die Förderung gemeinnütziger und kultureller Bestrebungen in der Stadt Luzern». Die Aufgaben der GGL sind in den Statuten der Stiftung wie folgt geregelt: Förderung der geistigen Volkswohlfahrt, Unterstützung von Hilfsbedürftigen, Leitung der von der GGL gegründeten Institutionen und Ausübung des Patronats über die Stiftungen und Vereine gemäss deren Stiftungsurkunden oder Statuten.[3]
[1]Hangartner S. 13 · [2]Hangartner S. 13–14 · [3]Blaser S. 80
1953
Max und Elisabeth Grumbacher-Stiftung
Durch Erbeinsetzung der GGL wollten die in Luzern heimatberechtigten und wohnhaften Eheleute Max und Elisabeth Grumbacher (Max † 1. Juni 1953, Elisabeth † 30. April 1951) «ihrem Dank Ausdruck geben, dafür, daß sie in der Schweiz und insbesondere in Luzern ein Asyl gefunden haben, das ihnen erlaubt, in Ruhe und Frieden ungestört die letzten Jahre ihres Lebens zu verbringen». Die alljährlichen Erträge der Stiftung sind für wohltätige Zwecke gemäss den Statuten der Gemeinnützigen Gesellschaft der Stadt Luzern zu verwenden. Dabei darf kein Unterschied der Konfession gemacht werden.[1]
Die GGL verliert ihr «Gesicht»
1953 verstarb Stadtpräsident Max S. Wey, der die GGL von 1918 bis 1953 geleitet und zusammen mit Nationalrat Ludwig Friedrich Meyer ganz wesentlich geprägt hatte. Meyer, Vorstandsmitglied der GGL von 1928 bis 1959, starb sechs Jahre später. Beide waren ganz ausserordentliche Männer mit politischen Lebensläufen, die so heute kaum noch denkbar sind. Wey setzte sich dafür ein, dass der Kanton Luzern ein modernes Armengesetz, das auf dem Grundsatz der wohnörtlichen Armenfürsorge fusste, erhielt. Dank Meyers ausgezeichneten gesellschaftlichen Beziehungen gelang es ihm, zugunsten der GGL mehrere wohltätige Stiftungen zu schaffen, denen noch heute sehr bedeutende Mittel zur Verfügung stehen. Erwähnenswert ist auch die Tatsache, dass Meyer der Gründer der ersten genossenschaftlichen Wohnbausiedlung in Luzern war, des sogenannten Eisenbahnerdorfs auf Geissenstein.[2]
[1]Blaser S. 80 · [2]Hangartner S. 10–11
1945
Neue Sozialpolitik – neue Rolle für die GGL
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts fanden Unfall, Krankheit, Alter oder Tod des Ernährers sowie Arbeitslosigkeit zunehmend Anerkennung als soziale Ursachen für Armut, bei denen die Betroffenen nicht mehr den oft erniedrigenden Bedingungen der Fürsorge unterworfen werden sollten. Da die meisten europäischen Regierungen nach dem Zweiten Weltkrieg soziale Konflikte wie 1917–19 vermeiden wollten, versprachen sie für die Friedenszeit weitgehende Reformen. Dies in besonderem Masse unter dem Eindruck der siegreichen Roten Armee der Sovietunion, die ab dem Winter 1941 begann, die deutschen Invasoren Richtung Westen zurückzudrängen. Am meisten Beachtung fand der britische Beveridge-Plan, der 1943 in der Schweiz lebhaft diskutiert wurde. Er sprengte die alte Arbeiterschutz- und Sozialversicherungspolitik und strebte Verbesserungen für Benachteiligte aller Schichten an. Der Begriff Soziale Sicherheit begann sich in der Schweiz zu verbreiten und mit ihm die Rolle und Aufgaben der Gemeinnützigen Gesellschaft der Stadt Luzern (GGL).
Im Mai 1945 hisste ein Soldat der siegreichen roten Armee die sovietische Flagge auf dem Reichstagsgebäude in Berlin ・ Quelle: Wikimedia ・ Fotograf: Yevgeny Khaldei Dreisäulenprinzip
Bereits unter dem Vollmachtenregime wurde für die Erwerbsersatzordnung Ende 1939 mit den Lohnprozenten und den Ausgleichskassen ein zukunftsweisendes System geschaffen. Nach dem Krieg wurde es in die AHV überführt. Mit dem entsprechenden Gesetz erhielt der Sozialstaat Ende 1946 seine zentrale Institution. Sie wurde in der Folge regelmässig verbessert und 1959 um die Invalidenversicherung und 1965 um die Ergänzungsleistungen für bedürftige Rentner erweitert. Aufgrund der späten Einführung der AHV und ihres anfänglich bescheidenen Umfangs behaupteten sich die betriebliche Pensionskassen weiterhin. Unter dem Druck einer Initiative für eine Volkspension wurden sie 1972 auf der Basis des Dreisäulenprinzips, das für die angemessene Existenzsicherung die AHV, die berufliche Vorsorge und die Selbstvorsorge vorsah, in der BV (Art. 34quater) verankert.
Der moderne Sozalstaat
Mit dem Landwirtschaftsgesetz von 1951 und weiteren Erlassen erhielten die Bauern Einkommensgarantien und Investitionshilfen. Die meisten Kantone erneuerten die Sozialhilfegesetze, wobei repressive Elemente abgebaut und vermehrt soziale Beratung angeboten wurde. Die Wohnungspolitik blieb weitgehend in kommunaler und kantonaler Kompetenz und eher in bescheidenem Rahmen (Wohnungsbau). Der Mieterschutz (Miete) beruhte hauptsächlich auf befristeten Erlassen. Mit der Verbreitung der GAV in der Exportindustrie sowie der seit 1941 (Bundesbeschluss) bzw. 1956 (Bundesgesetz) bestehenden Möglichkeit, diese allgemeinverbindlich zu erklären, gewann die paritätische Sozialpolitik an Bedeutung, konnten doch so auch Probleme geregelt werden, für die dem Staat die Kompetenzen fehlten (z.B. Mindestlöhne). Schliesslich löste das Arbeitsgesetz von 1964 das Fabrikgesetz und vier weitere Bundesgesetze sowie das gesamte kantonale Arbeitsschutzrecht ab und erfasste mit wenigen Ausnahmen (Landwirtschaft, Hausdienst, Heimarbeit, öffentlicher Verkehr) alle Erwerbszweige.
Auch im Gesundheits- und Bildungswesen sowie in der Regionalpolitik wurde die sozialpolitische Komponente stärker berücksichtigt. Weil aber die Kompetenzen hauptsächlich bei den Kantonen lagen, ergaben sich erhebliche regionale Unterschiede. Grundsätzlich fokussierte die S. der Nachkriegszeit nicht mehr auf die Arbeiterschaft, sondern auf die Ausschaltung von Risiken und den Abbau von Unterprivilegierungen in einer Konsumgesellschaft, die sich zur „nivellierten Mittelstandsgesellschaft“ zu entwickeln schien. Wohlstandssicherung gewann gegenüber der Sicherung des sozialen Friedens zunehmend die Oberhand.[1]
[1]HLS
1939
Schutz vor Verfolgung
1933 kamen die Nationalsozialisten in Deutschland an die Macht. Von den Nazis Verfolgte, oft Menschen jüdischen Glaubens, fanden auch in Luzern eine neue Heimat. Einigen von ihnen verdankt die Gemeinnützige Gesellschaft der Stadt Luzern grosszügige Spenden und Stiftungen. Vermögende jüdische Emigrantinnen und Emigranten waren auch Kunden im Auktionshaus Fischer an der Haldenstrasse. Das damals grösste Auktionshaus der Schweiz handelte nicht nur mit Kunst, sondern auch mit Möbeln, Münzen und Antiquitäten aller Art. Das war attraktiv für viele aus dem Dritten Reich Vertriebene, die nicht enteignet worden, aber zum Verkauf gezwungen waren, um ihren Unterhalt und die Weiterreise zu finanzieren, die sie oft in die USA führte.[1] Allerdings darf nicht in Vergessenheit, dass viele Verfolgte von der Schweiz abgewiesen wurden. «Etwas über 21’000 von ihnen fanden während des Kriegs Zuflucht in der Schweiz; rechnet man die Juden dazu, die sich vor 1939 als sog. Emigranten in der Schweiz aufhielten, waren es rund 28’000. Insgesamt wurden ab Sept. 1939 51’000 Zivilpersonen aufgenommen. Über die Zahl der abgewiesenen Zivilpersonen gehen die Meinungen auseinander. Carl Ludwig schätzte diese 1957 auf 10’000, wogegen Guido Koller 1996 von einer doppelt so hohen Zahl ausging. Die laufenden Forschungen über die Bewegungen an der Grenze zu Frankreich und Italien werden wahrscheinlich genauere Schätzungen ermöglichen. Wie viele Zivilpersonen sich abschrecken liessen und die Einreise gar nicht erst versuchten, wird im Dunkeln bleiben.»[2]
Der Rütli-Rapport vom 25. Juli 1940 nimmt in der Geschichte der Schweiz während des Zweiten Weltkriegs eine herausragende Stellung ein. General Henri Guisan war nach seiner Ansprache für viele Schweizer zum Symbol des nationalen Unabhängigkeits-Willens geworden ・ Text: SF DRS ・ Bild: ETH Keine Kriegsnot
Die Gemeinnützige Gesellschaft der Stadt Luzern (GGL) war während des Zweiten Weltkriegs kaum gefordert. Im Gegensatz zum Ersten Weltkrieg waren die Schweiz und auch Luzern, als 1939 der Zweite Weltkrieg begann, gut gerüstet. Die Lehren aus der Katastrophenerfahrung des Ersten Weltkriegs waren gründlich gezogen worden. Kriegswirtschaftliche Massnahmen, von der Lebensmittelversorgung mit Rationierungssystem und Anbauschlacht bis zur Energieversorgung, waren vorausgeplant und konnten dank Notrecht auch gezielt umgesetzt werden. So blieb der Bevölkerung Not oder gar Hunger erspart. Mit einer ebenfalls auf Notrecht basierten Mietpreiskontrolle und Mieterschutzmassnahmen verhinderten die städtischen Behörden, dass die in Luzern besonders akute Wohnungsnot zu einer Überteuerung führte. Wie im Ersten Weltkrieg leerten sich die Hotels wieder und viele mussten schliessen. Andere dienten als Unterkunft für Flüchtlinge wie etwa das Hotel Tivoli oder als Lazarett wie das Hotel Metropol, während der schweizerische Geheimdienst das Hotel Schweizerhof zur Nachrichtensammelstelle umfunktionierte.[3]
[1]Schumacher S. 195–196 · [2]HLS · [3]Schumacher S. 196–198
1934
Hugo und Annie Grün-Stiftung
Die Hugo und Annie Grün-Stiftung ist die zweite von der Gemeinnützigen Gesellschaft der Stadt Luzern (GGL) verwaltete Stiftung, die es ihr erlaubte, mit den damit erzielten Erträgen, gemeinnützige Unterstützungen zu leisten. Die Hugo und Annie Grün-Stiftung, welche zur «Unterstützung und Fürsorge bedürftiger, aber nicht armengenössiger, in Luzern niedergelassener alter Leute beiderlei Geschlechts» geschaffen worden war, geht auf Frau Annie Grün-Hamilton Cox zurück, die im Oktober 1934, vier Monate nach ihrem Gatten Hugo Grün, in Luzern starb.[1]
[1]Blaser S. 80
1927
Rudolf Schuler-Stiftung
Die von der Gemeinnützigen Gesellschaft der Stadt Luzern (GGL) verwalteten Stiftungen erlaubten es ihr damals und erlauben es ihr auch heute noch, mit den damit erzielten Erträgen, gemeinnützige Unterstützungen zu leisten. Die erste Stiftung, welche die GGL verwaltete, verdankte sie dem Glarner Arzt und Industriellen Dr. med. Rudolf Schuler. Er war der Sohn des Fabrikanten Jakob Schuler-Heer, geboren 1847, der gegen den Willen seines Vaters in Tübingen und Würzburg Medizin studierte. Er war während des Deutsch-Französischen Krieges als Freiwilliger in Lazaretten tätig und doktorierte 1872 in Würzburg. Nach einem Studienaufenthalt in London ging er in die USA nach Philadelphia, wo er anfänglich als Kohlenschaufler tätig war. Nach der Versöhnung mit seinem Vater kehrte er in Schweiz zurück und trat in die väterliche Textilfabrik ein und übernahm später den Betrieb. Ende 1896 trat er zurück und kaufte 1900 in Meggen die Villa Zur Ewigkeit. Er starb im Jahr 1927. Rudolf Schuler stiftete zehn Prozent seines Nachlasses «…wohltätigen, humanitären oder sozialen Zwecken von Stadt und Kanton Luzern …für die Linderung der persönlichen Not, für die Fürsorge gegen Krankheit, Alter und Gebrechen, für Blinde, für die heranwachsende Jugend, usw.»[1]
[1]Blaser S. 79–80
1918
Kriegswirren
Mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs verliessen 1914 nicht nur die Touristen, sondern auch Heerscharen von italienischen Bauarbeitern und deutschen Handwerkern Luzern. Hatten 1910 rund 18 Prozent der Bevölkerung einen ausländischen Pass, waren es 1920 nur noch gut 11 Prozent. Für die wehrfähigen Luzerner Männer begann im Sommer 2014 der Aktivdienst und das städtische Leben veränderte sich radikal. Das gewohnte soziale und kulturelle Leben kam zum Erliegen. Die Wirtschaft geriet ins Stocken, es wurde nicht mehr investiert und die Bauwirtschaft – zusammen mit dem Tourismus der wirtschaftliche Motor – kam zum völligen Stillstand. In den Kriegsjahren wurden so gut wie keine Wohnungen mehr gebaut, was die Wohnungsnot massiv verschärfte. Einige Hotels, wie etwa die Seeburg, nahmen in der Schweiz internierte deutsche, französische und englische Armeeangehörige auf, viele mussten jedoch vorübergehend oder dauerhaft schliessen. Die Einwohnergemeinde Luzern hatte bei Kriegsbeginn eine Million Franken Schulden und die Haushaltsrechnung war defizitär und die Stadt erhöhte bis 1921 in mehreren Schritten sowohl die Steuern als die Abgaben und Gebühren.[1]
Die Oktoberrevolution 1917 in Russland verleiht der Arbeiterbewegung auf der ganzen Welt neue Hoffnung und Kraft im Kampf gegen den Kapitalismus und Krieg wie auf diesem sovietischen Plakat dargestellt. Massenelend
Mit fortschreitendem Krieg dramatisierte sich der wirtschaftliche und soziale Ausnahmezustand. Im Winter 1917 steuerte die Schweiz auf eine nationale Ernährungskrise zu. Die inländische Nahrungsmittelproduktion sank nach der schlechten Ernte 1916 und der U-Boot-Krieg im Atlantik verunmöglichte den Import von Getreide aus den USA. Das traf die importabhängige Schweiz empfindlich. Die seit Kriegsbeginn spürbare Teuerung steigerte sich rasant und führte zu einer Massenverarmung. Im März 1917 erliess der Bund improvisierte Vorschriften zur Rationierung und ersetzte sie ein paar Monate später durch Höchstpreisregelungen.
Ab Dezember 1916 gab die Stadt Luzern im Rahmen von Notstandsaktionen Milch und Brot verbilligt ab. 1917 und 1918 waren gegen 28 Prozent der Bevölkerung darauf angewiesen. Mit rigorosen Kontrollen wurde zudem versucht, den Wucher bei Butter- und Käseverkäufen zu verhindern und auch dafür, dass Eier-Grosshändler nicht ihre gesamte Ware nach Zürich lieferten, wo sie höhere Preise erzielten. Auch die Wohnungsmieten stiegen während den Kriegsjahren ins Astronomische. Der Staat war jedoch überfordert.[2] Besonders wichtig waren in dieser Lage private Hilfsinitiativen und Unterstützungen, wie die der Gemeinnützigen Gesellschaft der Stadt Luzern (GGL).
Doch das war alles nur ein Tropfen auf den heissen Stein. Der Verdienstausfall der Aktivdienst leistenden Soldaten ging fast vollständig zu Lasten der Familien, ein Lohnersatz war noch nicht sozialstaatlicher Standard. Die in Luzern notorisch tiefen Löhne wurden teils noch gekürzt und die Arbeitslosigkeit stieg. Derweilen profitierten lokale Grossarbeitgeber wie Schindler und andere bedeutende Industriefirmen von der Kriegskonjunktur – namentlich durch Lieferung von Munitionsbestandteilen. Gewinne und firmeninterne Rückstellungen waren beträchtlich und die Dividenden erreichten Werte bis zu zehn Prozent. Das entging der Öffentlichkeit nicht.[3]
Bildlegende von links oben nach rechts unten ・ [1] Überfluss beim Exportgut Milch, Mangel bei Getreide, das in grossen Mengen importiert werden muss ・ Berner Molkerei ・ Quelle: Schweizer Nationalmuseum, Zürich ・ [2] Ausgabestelle für Brotkarten in Lausanne, 1917 ・ Quelle: Musée Historique de Lausanne, Eugène Würgler ・ [3] Auf die Nachricht des Waffenstillstandes versammeln sich die Menschen auf dem Platz Saint-François in Lausanne, um das Ende des Krieges in Europa zu feiern, 1918 ・ Quelle: Musée Historique de Lausanne ・ [4] Die Situation spitzte sich immer mehr zu: Truppen auf dem Waisenhausplatz während des Landesstreiks 1918 ・ Quelle: Schweizer Bundesarchiv ・ [5] Armee-Einheiten auf dem Berner Waisenhausplatz ・ Quelle: Schweizer Bundesarchiv ・ [6] Mit blankgezogenem Säbel steht die Kavallerie auf dem Paradeplatz in Zürich den Demonstranten gegenüber, 1918・ Quelle: Stadtarchiv, Zürich
Vom Generalstreik zur Fasnacht
In der Arbeiterschaft wuchs das Gefühl, schlecht behandelt und benachteiligt zu werden. Ab Februar 1916 verzeichneten sozialistisch geprägte Arbeiterorganisationen starken Zulauf. Die Sozialdemokratische Partei erlebte einen Linksrutsch und spaltete sich von den gemässigten Grütlianern ab. Im April 1917 spitzte sich die Lage zu: Kurz nachdem der Bund Preiserhöhungen für Milch und Butter angekündigt hatte, der Luzerner Stadtrat auf einer geplanten Steuererhöhung beharrte und Schindler eine Lohnreduktion ankündigte, lief das Fass über. Die 1’000-köpfige Schindler-Belegschaft trat in den Streik. Der Burgfrieden, das heisst das angesichts der nationalen Bedrohungslage bei Kriegsbeginn vereinbarte Stillhalten der Linken, war damit in Luzern aufgekündigt. Im August 1917 folgte die Luzerner Arbeiterschaft zu Tausenden dem Aufruf zu einer Kundgebung gegen die Teuerung. Der Vertrauensverlust weiter Teile der Bevölkerung gegenüber dem Staat, den sich bereichernden gesellschaftlichen Eliten und den preistreibenden Bauern war weit fortgeschritten.[4]
Ab April 1918 wurde das auf nationaler Ebene virulente Thema ‹Generalstreik› auch in Luzern in zustimmendem Sinne diskutiert. Vorerst blieb die Lage jedoch ruhig. Das Verbot der geplanten Feierlichkeiten zum Jahrestag der russischen Oktoberrevolution von 1917 und das voreilige Truppenaufgebot in Zürich im November provozierten jedoch dann einen landesweiten Generalstreik, der in allen grösseren Städten – auch in Luzern – befolgt wurde. Mit Ausnahme der Schappe-Fabrik in Kriens wurden alle Fabriken der Region Luzern drei Tage lang bestreikt. Auch viele private Geschäfte blieben geschlossen und die Post wurde nicht ausgetragen, was sonst nur noch in Zürich der Fall war. Am Morgen des ersten Streiktages wurde der Trambetrieb nach Emmenbrücke zum Erliegen gebracht. Am Nachmittag liess der Regierungsrat mit Maschinengewehren bewaffnete Truppen auf der Pilatusstrasse in Luzern aufmarschieren, zog sie aber nach einer Unterredung mit der Streikführung rasch wieder ab. Einflussreiche Unternehmer kritisierten das lasche Vorgehen des militärischen Platzkommandanten und sorgten für dessen rasche Ersetzung. Am zweiten Streiktag griffen die Ordnungstruppen dann härter durch.[5]
Der Landesstreik stürzte die ganze Schweiz in eine politische Krise. Es kam zu einer harten Front und Blockbildung zwischen Bürgerlichen und Linken. In Luzern begann die Polarisierung bereits während der Streiktage. Der Gewerbeverband, unterstützt von Industriellen, rief zur Bildung von Bürgerwehren auf. Die Kantonsregierung unterstützte dies, indem sie Bürgerwehr-Aktivisten gegen Unfall und Haftpflicht versicherte und ihnen die Ausrüstung zur Verfügung stellte. Das im Herbst 1918 mit grossem Mehr angenommene Proporzwahlsystem veränderte die politischen Verhältnisse im Stadtparlament. Die Liberalen verloren 1919 die absolute Mehrheit. Zusammen mit den Konservativen konnten sie als Bürgerblock zwar die Führung wahren, doch die Sozialdemokraten verdoppelten ihre Mandate und mutierten vom Juniorpartner zu einer ernst zu nehmenden politischen Grösse. Allerdings erlebte auch die Luzerner Linke die internationale Spaltung in ein sozialdemokratisches und ein kommunistisches Lager. 1921 wurde eine Sektion der Kommunistischen Partei der Schweiz in Luzern gegründet. Nach dem Krieg gewann erstmals auch die christlich-soziale Bewegung politisches Gewicht. Als Gegenspielerin der linken Gewerkschaften dynamisierte sie das Verhältnis von Konservativen und Liberalen. Die schwache Konjunktur der Nachkriegsjahre sorge dafür, dass die politischen Spannungen aufrecht erhalten blieben. 1924 war dann das Jahr, in dem der wirtschaftliche Aufschwung einsetzte. Das verlockte zu neuem gesellschaftlichen Leben. Ein deutliches Zeichen des allmählichen Übergangs in eine neue Zeit war die Wiederbelebung der Fasnacht.[6]
[1]Schumacher S. 185–186 · [2][3]Schumacher S. 186–187 · [4][5][6]Schumacher S. 187–191
Aktivdienst an der Grenze 1914 ・ Quelle: Nationalmuseum
1914
Breitgefächertes Engagement
Im Zeitraum von 1890 bis zum Ausbruch des 1. Weltkriegs 1914 wurde eine grosse Anzahl an sozialen Aufgaben behandelt. Dabei ging es um die folgenden Themen: Errichtung eines luzernischen Lungensanatoriums, augenärztliche Untersuchung der Schuljungend, Einrichtung von Arbeiterkolonien, Gründung eines Arbeitsnachweis-Büros, Förderung der Hautpflege, Errichtung von Schul- und Volksbädern und Schaffung eines Lesesaals für Arbeiter. Weitere Themen waren die Wichtigkeit einer richtigen Volksernährung, Schaffung eines Krankenbeihilfe-Fonds sowie Möglichkeiten des Kinder- und Frauenschutzes.[1]
Verwirklicht wurden schliesslich die Errichtung eines Lesesaals, primär für die Arbeiterbevölkerung, der dank einer grosszügigen Unterstützung durch die Loge Fiat Lux sowie weitere Geld- und Sachspenden im Kriegswinter 1916/17 seiner Bestimmung übergeben werden konnte. Der von Ernst Ducloux angeregte Krankenbeihilfe-Fonds konnte mit Hilfe einer Spende der Kurhausgesellschaft gegründet werden. 1907 übernahm die GGL das Patronat über die Holz- und Kohlenspende, die im ersten Jahr des Bestehens an 143 Familien mit Kohle- und Holzlieferungen unterstützte. Die Geldmittel dafür stellten die GGL, die Loge Fiat Lux und die Kurhausgesellschaft zur Verfügung. Dank eines Legates von Frau Vock-Zelger im Betrag von 1’500 Franken konnte die Aktion auch nach dem 1. Weltkrieg weitergeführt werden.[2]
Graben zwischen den Sprachregionen zu Beginn des Krieges ・ Nebelspalter 10.11.1917 ・ Quelle: Zentralbibliothek, Zürich
[1]Blaser S. 54–57 · [2]Blaser S. 55–58
1893
Ferien für arme Kinder
1893 machte Dr. Adolf Peyer den Vorschlag, die Gemeinnützige Gesellschaft der Stadt Luzern (GGL) solle nach dem Vorbild der Stadt Zürich, die Ferienversorgung armer Schulinder in ihr Programm aufnehmen. In Zusammenarbeit mit der Einwohner- und der Korporationsgemeinde Luzern war es möglich, schon 1894 im Buchsteg eine erste Ferienkolonie mit vierzig Kindern zu eröffnen. Lehrer Josef Herzog, der die Leitung übernahm, schrieb in einem späteren Bericht: «Im Schosse der Gemeinnützigen Gesellschaft der Luzern wurde im Jahre 1893 die erste Anregung zur Gründung dieses neuen Institutes gemacht, und im Sommer 1894 kam der erste Versuch zu stande. Die Stadtbehörde stelle zu diesem Zwecke das Arbeiterhaus im Buchsteg, im Eigental zur Verfügung. Die Sammlung des nötigen Betriebsfonds hatte einen überraschend guten Erfolg; es konnte deshalb ohne Sorge zur Ausführung geschritten werden…» 1909 wurde dann der Verein Luzernische Ferienversorgung gegründet, der das von der GGL geschaffene soziale Werk weiterführte.[1]
[1]Blaser S. 51 · [2]Blaser S. 51 · [3]Schumacher S. 137–152 ·
1890
Stagnation
In der zweiten Hälfte der 1880er Jahre trat im Gesellschaftsleben der Gemeinnützigen Gesellschaft der Stadt Luzern (GGL) eine unübersehbare Stagnation ein – besonders seit dem Tod des sehr aktiven Präsidenten Oberst Abraham Stocker. Die Zahl der jährlichen Versammlungen sank auf zwei statt der statutarischen vier. Die Versammlungen wurden nur schwach besucht. Oft war der Vorstand allein anwesend. Die Mitgliederzahl ging zurück und in der Bevölkerung schwand das Interesse an den Bestrebungen der GGL. Diese unerfreuliche Entwicklung dämpfte auch die Initiative des Vorstands, der kaum noch Sitzungen abhielt. Für viele Jahre dieser Periode sind nicht einmal die Präsidenten bekannt.[1]
Neuer Schwung
In dieser unerfreulichen Situation, die derjenigen von 1844 bis 1854 nicht unähnlich war, nahmen ein paar tatkräftige Männer eine Rettungsaktion vor. 1890 wurde ein neuer Vorstand gewählt, der mit Elan daran ging, der GGL zu neuem Schwung zu verhelfen und sich den drängenden sozialen Fragen der Zeit zu stellen, die sich durch die starke Bevölkerungszunahme und die dadurch bedingte demographische Umschichtung ergaben.[2] Luzern war in wenigen Jahrzehnten zu einer pulsierenden Tourismusmetropole und zu einem wichtigen Knotenpunkt im Eisenbahnverkehr herangewachsen, insbesondere seit der Eröffnung der Gotthardbahn 1882. Die Einwohnerzahl nahm sprunghaft zu, ebenso die sozialen Probleme.[3]
Braucht es noch eine Suppenanstalt?
Im langen und strengen Winter 1890/91 prüfte die GGL die Frage der Wiedereröffnung einer Suppenanstalt oder einer Volksküche. Im Winter 1891/92 wurde die Suppenanstalt dann am 14. Dezember eröffnet und am 20. Februar wieder geschlossen. Die Behörden hatten dafür die alte Kaserne zur Verfügung gestellt. Im Jahr 1906 wurde dann eine Revision der Statuten beschlossenen. Die Suppenabgabe wurde nicht mehr alle Jahre durchgeführt, dafür aber der Milchausschank an die Schulkinder. In der Versammlung der GGL vom 11. Juli 1919 wurde der Milchausschank zum letzten Mal erwähnt.[4]
[1]Blaser S. 50–51 · [2]Blaser S. 51 · [3]Schumacher S. 137–152 · [4]Blaser S. 53–54
1886
Pfandleihanstalt nimmt Betrieb auf
Im Jahr 1882 hatte die ‹Luzerner’sche Pfandleihanstalt› ein ‹Ende mit Schrecken› genommen. Pfandleihen unter öffentlicher Aufsicht war im Kanton Luzern nicht mehr möglich. Die Polizei hatte sich in der Folge mit zahlreichen ‹Winkelanstalten› zu befassen, deren Geschäftsgebaren jeder Beschreibung spottete. Missbräuche waren an der Tagesordnung. So wurde den wenigsten Schuldnern für ihre Pfänder Empfangsscheine übergeben, fingierte Käufe wurden abgeschlossen, kurzum: «Die armen Geldbedürftigen, die in der Noth bekanntlich alles unterschreiben, wurden in frecher Weise ausgebeutet und der Wucher ungenirt betrieben» (nach einem zeitgenössischen Bericht). Die Gemeinnützige Gesellschaft der Stadt Luzern (GGL) entschloss sich deshalb, eine eigene Pfandleihanstalt zu gründen. Diese nahm – mit der notwendigen regierungsrätlichen Bewilligung – am 1. November 1886 ihren Betrieb auf.[1]
Echtes Bedürfnis
Wie sehr diese Institution einem Bedürfnis entsprach, beweist die Tatsache, dass bereits im ersten Geschäftsjahr 1’845 Darlehen im Betrag von rund 60’000 Franken gewährt wurden (Luzern zählte damals rund 20’000 Einwohner). Das Bedürfnis war unbestritten, der Betrieb hingegen nicht einfach und ein Zuschussgeschäft. Schon im ersten Jahresbericht wurde festgestellt, die Pfandleihanstalt biete auch «bei den bescheidensten Ansprüchen keine Existenz». Die Betriebsergebnisse blieben unbefriedigend und auch die zwielichtigen ‹Winkelanstalten› trieben noch für einige Jahre ihr Unwesen.[2]
Soziale Hilfeleistung
Die Belehnung von Versatzpfändern gehört zu den ältesten Formen sozialer Hilfeleistung. Pfandleihanstalten gab es schon im Mittelalter. Das soziale und karitative Element kommt auch in der italienischen ‹monte die pietà› und in der französischen Bezeichnung ‹mont de piété› zum Ausdruck. Das Versatzpfand hat gegenüber dem Almosen und der öffentlichen und privaten Unterstützung verschiedene Vorteile: Es ist die letzte Selbsthilfe in in einer Notsituation und der Selbsterhaltungstrieb wird nicht geschwächt, sondern gestärkt. Es kann Hilfe an Leute gewährt werden, die in einer vorübergehenden Notlage sind und die eine andere Hilfe ablehnen würden oder eine solche nicht erhielten. Für den Pfandnehmer besteht der Vorteil darin, dass er mit wenig Aufwand viel Not beheben kann, da ja keine ‹À-fonds-perdu›-Beiträge, sondern Darlehen gegen Sicherstellung gegeben werden. Aber es besteht auch die Gefahr scheinbarer oder wirklicher Ausnutzung einer Notlage, wenn der Pfandnehmer einen normalen Geschäftsgewinn erzielen will. Je kleiner die Darlehen sind, desto grösse die Umtriebe – im Verhältnis zum Darlehen – sind notwendig.[3]
Ein ‹Sorgekind›
Die GGL verstand die Pfandleihanstalt als gemeinnütziges Werk, das mit ihren Zielen vereinbar war. Sie wurde indessen nicht eng geführt und kontrolliert. Die anfallenden Kosten waren zwar ärgerlich, aber verschmerzbar. Irgendwie hatte man sich an das ‹Sorgenkind› gewöhnt und war letztlich doch stolz auf die Bank der kleinen Leute, wo man den hochwertigen Diamanten, den Ehering, den teuren Pelzmantel oder auch Haushaltgegenstände belehnen konnte.[4]
[1][2]Hangartner S. 89 · [3][4]Hangartner S. 90 ·
1879
Förderung des Gewerbes
Im Juli 1879 wurde in Luzern die Zentralschweizerische Kunst- und Gewerbeausstellung durchgeführt. Zur Eröffnung dieser Leistungsschau hielt Josef Martin Knüsel eine wegweisende Rede zum Stand der luzernischen und innerschweizerischen Volkswirtschaft. Analog zur Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG) wählte auch die Gemeinnützige Gesellschaft der Stadt Luzern (GGL) das Thema: ‹Die Hebung des inländischen Gewerbes›. Der Redner stellte anlässlich der Eröffnung die betrübliche Tatsache fest, dass manches Handwerk und das Kleingewerbe durch den Gross- und Fabrikbetrieb in eine fatale Stellung geraten seien. Knüsel bemängelte bei den Kleingewerblern die fehlenden Maschinen, um sich gegenüber den Produkten der Grossindustrie wieder konkurrenzfähig zu machen. Der Redner wies insbesondere darauf hin, die Maschinenindustrie habe in den letzten Jahren Erstaunliches geleistet, dem Kleingewerbe passende Maschinen zur Verfügung zu stellen, um sich damit der Konkurrenz der Grossindustrie zu erwehren. Insbesondere beklagte er den überhandnehmenden Protektionismus, der in verschiedenen Ländern Europas eingeführt werde und den langgehegten Freihandel immer mehr ablöse.[1]
Ein ganz spezielles Lob spendete Knüsel dem Handwerker, wenn er mit Fleiss und Ausdauer auf die möglichste Vervollkommnung seiner Produkte hinarbeite. Er ermunterte seine Zuhörer, auf die Bemerkungen der schweizerischen Mitglieder der internationalen Jury der letzten Pariser Ausstellung zu hören, die Erfahrungen dieser Ausstellung auf schweizerische Betriebe zu übertragen und dadurch der Konkurrenz des Auslandes gut zu begegnen. Vor allem legte der Redner den Finger auf die Notwendigkeit, weiterführende Schulen für den Handwerkerstand anzubieten: «Wir dürfen nicht verhehlen, dass wir in der Innerschweiz gegenüber den fortgeschrittenen Kantonen noch zurück sind und noch viel zu tun übrig bleibt, um andere Kantone nur annähernd einzuholen, geschweige ihnen zuvorzukommen». Die Eidgenossenschaft hat 1855 das Polytechnikum in Zürich eröffnet und damit eine Pioniertat von aussergewöhnlicher Tragweite geschaffen.[2]
Knüsel erinnerte daran, dass in mehreren Städten sogenannte Gewerbemuseen geschaffen worden seien, d.h. Muster- und Modellsammlungen, deren Benutzung «Styl und Kompositionen der betreffenden Arbeiter vervollkommnen sollen.» Auch erwähnte er die neu errichteten Techniken, die in den letzten Jahren errichtet worden waren. (Winterthur, Burgdorf etc.) Als besonderes Beispiel wies er auf Württemberg hin. In diesem Staat habe die gute Schule und das ‹Meisterlager› in Stuttgart, welches dem ganzen Lande zugänglich ist, für den gewerblichen Aufschwung Wunder gewirkt und Segen und Wohlstand gebracht. «Ein bescheidener Anfang ist in jüngster Zeit mit der Kunstgewerbeschule in Luzern gemacht worden, der wir die grösste Aufmerksamkeit schenken sollten. In der Innerschweiz sollte ein mustergültiges Lehrlingswesen geschaffen werden: Schule und Werkstatt müssen sich ergänzen. So notwendig die Schule auch ist, sie allein reicht nicht, denn eine Handwerksgeschicklichkeit kann nur in der Werkstatt erworben werden.»[3]
Scharfe Kritik übte Knüsel an dem Prestigeverhalten vieler Eltern, die für ihre Söhne eher einen Posten als Schreiber oder Commis-Voyageur anstreben, statt sie eine Handwerkslehre absolvieren zu lassen: «Ein einfältiger Stolz lässt viele Eltern das Handwerk als Büttel der menschlichen Erwerbstätigkeit ansehen, bloss für solche Knaben gut, die wenig Fähigkeit besitzen; den talentvolleren Brüdern lässt man eine gute Sekundarschule geben und ist dann hoch beglückt, wenn der Herr Sohn eine Schreiber- oder Commis-Voyageur-Stelle erhält. Der elendeste Schreiberposten wird dem Handwerk vorgezogen. Es braucht nur noch eine neue Gründerperiode und das Volk wird zur Einsicht kommen, dass das Handwerk immer noch einen goldenen Boden hat.» Knüsel wies zudem auf einige ernste Mängel im Schul- und Berufsbildungswesen hin. Auffallend ist, dass diese Probleme eigentlich erst Jahrzehnte später, vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg angepackt und gelöst wurden.[4]
[1]Steiner S. 44–46 · [1]Steiner S. 44–46 · [1]Steiner S. 44–46 · [1]Steiner S. 44–46 ·
1877
Jahresversammlung der SGG in Luzern
An der Gemeinnützigen Gesellschaft der Stadt Luzern (GGL), der Luzerner Sektion der SGG, war es, 1877 die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft (SGG) an ihrer Jahresversammlung in Luzern zu begrüssen. Alt Bundesrat Josef Martin Knüsel äusserte bei der Begrüssungsansprache wenig optimistische Töne, wenn er ausführte:
«Dass Ihre Pilgerreise Sie für dieses Jahr nach Luzern führt, hat uns mit hoher Freude erfüllt, war es Ihnen doch bei Bezeichnung des Festortes nicht unbekannt, dass wir nicht in der Lage sind, reiche Früchte unserer Tätigkeit vorzuweisen. Wir wollen aber Ihr Erscheinen in unseren Mauern als einen freundlichen Wink betrachten, sich auch jenen Bestrebungen mehr anzuschliessen, die an manch andern Orten zu erfreulichen Resultaten geführt hat. Und fürwahr, eine solche Aufmunterung haben wir nötig! Wir können Ihnen leider weder von den Werken einer kantonalen gemeinnützigen Gesellschaft noch von Bezirksvereinen etwas berichten. Die letzteren haben in unserem Kanton nie existiert; eine kantonale Gesellschaft wurde zwar zur Zeit Ihrer letzten Anwesenheit in Hier gegründet, sie starb aber eines ruhigen Todes, ehe sie eigentlich zu leben angefangen hatte. Die vor 22 Jahren neu konstituierte Gemeinnützige Gesellschaft der Stadt Luzern hat sich seither forterhalten und in diesem Zeitraum manches Nützliche geschaffen; aber zu beklagen ist, dass ihre Sitzungen sehr schwach besucht werden und dass sie meistens ein Still-Leben führt, die sich mit ihrem Namen nicht wohl verträgt. Ich weiss gar wohl, dass Sie auch anderwärts schon ähnliche Berichte entgegennehmen mussten, was uns nicht zur Entschuldigung dienen kann. Ich hoffe, dass unsere Verhandlungen und die Anwesenheit so vieler verdienter Männer anregend auf die hiesige Gesellschaft wirken werden …».
[1]Steiner S. 42–46
Josef Martin Knüsel · Illustration, Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern, Sondersammlung, Personendossier Knüsel
1876
Alt Bundesrat Knüsel neuer Präsident der GGL
Am 10. Dezember 1875 stellte sich Bundesrat Josef Martin Knüsel ‹aus Gesundheitsrücksichten› für eine Wiederwahl in den Bundesrat nicht mehr zur Verfügung. Kaum war Josef Martin Knüsel aus der Bundeshauptstadt nach Luzern zurückgekehrt, wurde er 1876 als Präsident der Gemeinnützigen Gesellschaft der Stadt Luzern (GGL) gewählt. Es galt, die kriselnde Sektion wieder neu zu beleben.[1]
In seinen späteren Jahren wurde Knüsel auch Präsident der städtischen Lesegesellschaft. Die ersten Vorarbeiten gehen auf die sechziger Jahre zurück. 1864 kam es zur Gründung einer Lese- oder Museumsgesellschaft und den von der GGL entworfenen Statuten, aber schon 1875 schlief das Unternehmen wieder ein. Knüsel gelang eine Reaktivierung und blieb längere Zeit Präsident der Allgemeinen Lesegesellschaft. Von 1880 war er Mitglied des engeren Komitees für die Rettungsanstalt Sonnenberg, wovon 1883/84 dessen Präsident. Knüsel gehörte auch zu den Gründern der industriellen Anstalt für katholische Mädchen in Richterswil und wirkte von 1881 bis 1885 als Präsident der weiteren Kommission für dieses Institut.[2]
[1]Steiner S. 42–43 · [2]Steiner S. 46
Kasimir Pfyffer von Altishofen · Fotografie, Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern, Sondersammlung
1875
Steiger-Pfyffer-Stiftung
Nach dem Tod von Kasimir Pfyffer, welcher der Steiger-Stiftung ein Legat von 4’000 Franken vermacht hatte, beschloss die Gemeinnützige Gesellschaft der Stadt Luzern (GGL) am 23. Juni 1876 den Namen der Steiger-Stiftung in Steiger-Pfyffer-Stiftung abzuändern.[1]
Kasimir Pfyffer
Kasimir Pfyffer von Altishofen wurde 1794 in Rom geboren, wirkte als Politiker, Anwalt, Richter, Gesetzesredaktor und Publizist. Er war eine der wichtigsten Persönlichkeiten des schweizerischen Liberalismus. In Luzern dominierte der studierte Jurist die Kantonspolitik der 1830er Jahre. 1841–1847 führte er im Grossen Rat die liberale Opposition gegen die konservative Luzerner Mehrheit und Regierung an. Von der Organisation der Freischarenzüge hielt er sich fern, verteidigte aber den angeklagten Freischärler Jakob Robert Steiger und auch andere Aufständische. Von 1848–1863 war Pfyffer Nationalrat, zuvor mehrfach Luzerner Gesandter an der Tagsatzung. Sowohl die Wahl in die Kantonsregierung 1834 als auch in den Bundesrat 1854 lehnte er ab, die Wahl zum ersten Stadtpräsidenten von Luzern 1831 nahm er an.[2]
Auf eidgenössischer Ebene setzte sich Pfyffer für eine bundesstaatliche Zentralisation ein. Er war ein Anhänger des Repräsentativsystems der indirekte Demokratie und ein Gegner der von den Konservativen geförderten direkten Demokratie. Er gehörte zu den Begründern des liberalen politischen Vereinswesens. Pfyffer verfasste unzählige Publikationen wie die ‹Geschichte der Stadt und des Kt. Luzern›. Zu den vielen Ämtern, die er bekleidete, gehörte auch das des Präsidenten der ‹alten› Gemeinnützigen Gesellschaft der Stadt Luzern, der er 1830/31 vorstand. Kasimir Pfyffer starb 1875 in Luzern.[3]
[1]Blaser S. 42 · [2][3]Steiner S. 80
1873
Gründung des Armenvereins
Die Gründung des Allgemeinen freiwilligen Armenvereins der Stadt Luzern ging auf eine Initiative der Gemeinnützigen Gesellschaft der Stadt Luzern (GGL) zurück. Im Dezember des Jahres 1873 wurde der Antrag gestellt, die Organisation der freiwilligen Armenpflege an die Hand zu nehmen. Damit sollte auf den ausserordentlichen Notstand der ärmeren Bevölkerung Luzerns reagiert werden. Ein möglichst grosser Teil der Bevölkerung musste dafür gewonnen werden. Daher war man bestrebt, alles zu vermeiden, was nach Parteipolitik hätte aussehen können. Die GGL berief auf den 5. Dezember 1881 eine Gründungsversammlung ein, welche die Statuten genehmigte und einen Vorstand mit Albert Disteli-Brun als Präsidenten wählte.[1]
[1]Blaser S. 45
1867
Neue Suppenküche
Im Spätherbst 1867 wurde der Gemeinnützigen Gesellschaft der Stadt Luzern (GGL) beantragt, wieder eine Suppenanstalt einzurichten. Dies im Hinblick auf die grosse Not der Armen auf den Winter hin. Die GGL befürwortete das Vorhaben. Die Suppenanstalt wurde gegründet, aber schon Ende des Winters eingestellt. In den Jahren 1871 und 1876 bis 1880 trat die GGL erneut für die Wiedereröffnung ein und folgte damit den Ideen ihrer Vorgängerin, der Hülfsgesellchaft. Die Bezugsscheine für eine Suppe kosteten 10 Rappen oder wurden unentgeltlich abgegeben. Die Suppenanstalt war in der alten Kaserne untergebracht. Für arme Schulkinder fand eine Speisung unter Aufsicht der Lehrer im Museggschulhaus statt.[1]
[1]Blaser S. 45
Jakob Robert Steiger · Illustration, Hochschulbibliothek Luzern, Sondersammlung
1862
Stiftung zum Andenken an Jakob Robert Steiger
Nach dem Tod von Jakob Robert Steiger am 28. Februar 1862 beschlossen seine Freunde und Anhänger, das Andenken an den Politiker und Arzt durch ein Werk mit gemeinnützigem Charakter lebendig zu halten. Man dachte an eine Stiftung zur Verteilung von Büchern an Volks- und Jugendbibliotheken des Kantons Luzern, an die Gründung eines Stipendienfonds für junge Talente jeden Faches oder an eine Stipendienstiftung für junge Mediziner. Bereits im Januar 1864 konnte die erste Bücherverteilung durchgeführt werden. Die Gemeinnützige Gesellschaft der Stadt Luzern (GGL) übte die Oberaufsicht aus und leistete regelmässig jährliche Beiträge.[1]
Jakob Robert Steiger
Jakob Robert Steiger wurde 1801 in Geuensee geboren. Steiger wirkte als Politiker, Arzt und Botaniker und war ein legendärer Luzerner ‹Revolutionär›. Er war ein führender Vertreter der radikalen Richtung des Luzerner Liberalismus. Er beteiligte sich aktiv am Kulturkampf und 1844 gehörte er zu den Initianten der Bewegung gegen die Jesuitenberufung in Luzern und nahm an den beiden Freischarenzügen teil. Nach dem 1. Freischarenzug wurde er zu sechs Wochen Haft, nach dem 2. Freischarenzug 1845 in einem aufsehenerregenden Prozess zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde später in eine Galeerenstrafe umgewandelt. Mit Hilfe seiner Bewacher konnte er entfliehen und nach Zürich flüchten, wo er unter grossem Jubel empfangen wurde. Nach dem Sonderbundskrieg und dem Sturz der konservativen Regierung 1847 kehrte er nach Luzern zurück und erfüllte verschiedene politische Funktionen auf Bundes- und Kantonsebene. Als Wortführer des freischärlerischen Radikalismus gab er den Anstoss zur Aufhebung der Luzerner Klöster St. Urban und Rathausen.[2]
«Dr. Steigers wundersamliche Befreiung aus dem Keßelthurm zu Luzern» · Karikatur auf die Flucht von Jakob Robert Steiger aus dem Kesselturm in der Stadt Luzern in der Nacht vom 19. auf den 20. Juni 1845 · Illustration, Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern, Sondersammlung Steiger war Grossrat, Regierungsrat, Nationalrat und erster Präsident des Nationalrates. Nebst seinen politischen Ämtern war er Präsident der Helvetischen Gesellschaft, Mitglied der Ärztegesellschaft und Schulrat des Eidgenössischen Polytechnikums (heutige ETH). Sein botanisches Werk ‹Die Flora des Kantons Luzern …› erschien 1860. Steiger starb 1862 in Luzern.[3]
[1]Blaser S. 42 · [2][3]Steiner S. 81
Gruppenbild des Gesamtbundesrats zusammen mit General Hans Herzog zur Zeit des Deutsch-Französischen Kriegs 1870/71 · Fotografie, um 1872, Stadtarchiv Luzern, Familienarchiv Knüsel, FA Knüsel, Bundesrat
1855
Späterer GGL-Präsident wird erster Luzerner Bundesrat
Bei den eidgenössischen Wahlen von 1854 glückte Knüsel der Sprung in den Nationalrat. Der Solothurner Bundesrat Josef Munzinger (1791–1855) erkrankte damals schwer. Am 6. Februar 1855 war er nach langem Leiden verstorben. Der weitherum angesehene Luzerner Kasimir Pfyffer (1794–1875) wurde als Nachfolger ins Gespräch gebracht. Im ersten Wahlgang erhielt er in der Bundesversammlung jedoch nur 66 Stimmen bei einem absoluten Mehr von 72. Darauf lehnte Pfyffer ab.
Aussichtsreichster Kandidat war hierauf der Basler Nationalrat Johann Jakob Stehlin (1803–1879), der am 12. Juli im ersten Wahlgang zum Bundesrat gewählt wurde, am darauffolgenden Tag die auf ihn gefallene Wahl mit der Begründung ablehnte, dass er die zu der hohen Beamtung nötige Summe des Wissens und der Erfahrung nicht in sich fühle.
Nun schlug die Stunde für den weitgehend unbekannten Luzerner Nationalrat Josef Martin Knüsel. Mit 94 von 142 Stimmen wurde er am 14. Juli 1855 im zweiten Wahlgang zum Mitglied der hohen Landesbehörde gewählt, obschon er sich bisher weder als Redner noch als Kommissionsmitglied bemerkbar gemacht hatte. Zur Annahme der Wahl entschloss er sich erst einige Tage später. Mit Knüsel gelangte der erste Luzerner und Zentralschweizer in den Bundesrat, dem er bis 1875 angehörte.
Die überraschende Wahl von Nationalrat Josef Martin Knüsel, der zur Zeit der Wahl auch als Luzerner Regierungsrat und Schultheiss amtete, wurde von der Luzerner Bevölkerung mit Freude aufgenommen. Nach dem Bürgerkrieg von 1847 blieb der katholisch-konservativen Opposition, die sich vor allem in der Innerschweiz gesammelt hatte, ein Bundesratssitz verwehrt. Als ehemaliger Vorort war jedoch Luzern nicht völlig auszuschalten. Die freisinnigen Luzerner erhoben dann auch bald nach 1848 Anspruch auf einen Sitz in der Landesregierung. Als man einen Nachfolger für den verstorbenen Josef Munzinger suchte, sahen die Luzerner ihre Chance gekommen. Schützenhilfe erhielten sie von der ‹Neuen Zürcher Zeitung›, die als Nachfolger Munzingers einen Staatsmann aus dem ehemaligen Vororte Luzern oder aus den Urkantonen vorschlug: «Seit der Reorganisation von 1847 und 1848 hat der Kanton Luzern in seiner grossen Mehrheit stets unentwegt zum neuen Bunde und dessen Einrichtungen gehalten und dadurch die Scharte so ziemlich ausgewetzt, die es sich durch den Sonderbund in der Achtung seiner Miteidgenossen zugezogen hat.»
Mit dem Liberalen Josef Martin Knüsel wurde 1855 der erste Innerschweizer in die Landesregierung gewählt. Der zweite war Josef Zemp (1834–1908), der als erster konservativer Vertreter überhaupt Mitglied des Bundesrates wurde. Während seiner 20-jährigen Amtstätigkeit, die durch häufige Departementswechsel geprägt war, stand Josef Martin Knüsel insgesamt fünf Departementen vor, nämlich dem Finanzdepartement, dem Handels- und Zolldepartement, dem Justiz- und Polizeidepartement, dem Departement des Innern und dem Politischen Departement. Einzig das Postdepartement, das lebenslänglich an Bundesrat Naeff (1802–1881) verpachtet schien, und das Militärdepartement, das Knüsel nach damaligem Brauche als Nichtmilitär nicht übernehmen konnte, blieben ihm fern. Zweimal amtete er aber als Bundespräsident.[1]
[1]Steiner S. 18–22
1854
Kornkrise
Nach der schlechten Ernte des Jahres 1853 erreichten die Preise für Kernen und Brot ein beunruhigend hohes Niveau und waren fast so hoch wie im Krisen-und Kriegsjahr 1847. In der Stadt Luzern, wo die Selbstversorgung mit Lebensmitteln kaum eine Rolle spielte und die Menschen deshalb stärker als auf dem Lande unter den hohen Preisen litten, wurde die Lage schon im Winter 1853/54 kritisch. Die Angst vor einer erneuten Teuerung ging um und schlug in Aggressionen gegen Kornhändler, Bäcker und Politiker um. Am Vorabend des Wochenmarktes vom 5. September 1854 versammelten sich 200 bis 300 Unzufriedene auf der Schützenmatte und klagten lautstark über die ‹Kornwucherer› und verlangten ‹wohlfeileres› Brot. Am folgenden Tag weiteten sich die Unruhen aus. Dank eines grossen Polizeiaufgebotes und der persönlichen Intervention von Polizeidirektor Josef Martin Knüsel [des späteren Bundesrates und Präsidenten der Gemeinnützigen Gesellschaft der Stadt Luzern] konnten ernsthafte Auseinandersetzungen verhindert werden. Diese mutige Haltung blieb nicht unbemerkt. Bei den Nationalratswahlen vom Herbst 1854 wurde der umsichtige Luzerner Regierungsrat als Nationalrat ins eidgenössische Parlament gewählt.[1]
Wiederbelebung
Die Kornkrise von 1854 machte deutlich, dass es auch künftig der Gemeinnützigkeit bedurfte, um bei Härtefälle und Schicksalsschläge Beistand zu leisten. Der zur Wiederbelebung der Luzernischen Abteilung der SGG notwendige Anstoss erfolgte an der Tagung der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft in Liestal 1854. Dort wurde Luzern als Tagungsort für 1855 bestimmt und Nationalrat Dr. Kasimir Pfyffer zum Jahrespräsidenten der SGG für 1855 gewählt. Pfyffer lehnte aber die Wahl ab mit der Begründung, «daß Luzern dermalen nicht in der Verfassung sich befinden dürfte, das Direktorium der SGG zu übernehmen. So viel mir bekannt, existiert gar keine Organisation, und eine solche herzustellen, dürfte eine schwierige Arbeit sein.»[2]
Neue Gemeinnützige Gesellschaft der Stadt Luzern
Schlussendlich fiel die Wahl auf Seminardirektor Franz Dula (1814–1892). Noch im November 1854 wurden die entscheidenden Schritte zur Reorganisation des Luzerner Zweiges der SGG eingeleitet. Die Luzernische Abteilung der SGG beschloss die Gründung einer eigenen städtischen gemeinnützigen Gesellschaft. An einer gut besuchten Versammlung am 11. November 1854 stimmten die Anwesenden diesem Vorhaben zu und gaben der neuen Gesellschaft den Namen Gemeinnützige Gesellschaft der Stadt Luzern (GGL). Das Fundament zur Neugründung wurde am 21. Dezember 1854 gelegt mit der Annahme der Statuten und der Wahl der weiteren Vorstandsmitglieder: gewählt wurden L.R. Meyer als Kassier und Prof. J. Pfister als Aktuar.[3] Bereits in dieser ersten Sitzung stand das Thema der Volksbildung zur Diskussion, zu dem in den Folgejahren eine grosse Zahl an Bildungs-Initiativen und -Vorstössen der GGL erwachsen würde[4]. Unter dem Eindruck der Kornkrise wurde zudem das Thema des Armenwesens eingehend behandelt und als traditioneller Schwerpunkt der gemeinnützigen Tätigkeit bestätigt.[5] 42 Mitglieder traten der GGL bei der Neugründung bei[6]. Als Grundlage für ihr Aktionsprogramm übernahm die GGL das Programm der SGG, nämlich «…die Interessen der Volkserziehung, des Gewerbefleißes und der Armenpflege in Beratung zu ziehen und nach Kräften zu fördern.»[7]
[1]Steiner S. 13 · [2]Blaser S. 36–37 · [3]Blaser S. 37 · [4]Blaser S. 39 · [5]Blaser S. 44 · [6]Blaser S. 37 · [7]Blaser S. 39
1850
Gründung der Luzerner Kantonalbank
Zwar ging die Gründung der Luzerner Kantonalbank nicht direkt von der Gemeinnützigen Gesellschaft der Stadt Luzern (GGL) aus, aber sie ist von vielen ihrer Mitglieder – zum Teil an führender Stelle – gefördert worden. Schon die stadtluzernische Ersparungskasse von 1818 verdankte ihre Entstehung der Initiative von Mitgliedern der GGL-Vorläuferin Hülfsgesellschaft. Im Oktober 1848 wurde im Luzerner Grossen Rat der Antrag auf Gründung einer kantonalen Spar- und Leihkasse eingereicht. 1849 erfolge ein öffentlicher Aufruf zugunsten des Instituts, unterzeichnet von 25 angesehenen Bürgern mit Kasimir Pfyffer an der Spitze. 1850 konnte dann die Luzerner Kantonalbank gegründet werden. Ludwig Rudolf Meyer von Schauensee wurde ihr erster Verwalter und führte sie rasch zum Erfolg.[1]
[1]Blaser S. 48
1848
Integrationsprobleme
«Die politische Kursänderung im Kanton Luzern, die mit der Verfassungsrevision von 1841 begann und zu deren Folgen die Jesuitenberufung, die Freischarenzüge und der Sonderbundskrieg gehörten, verhinderte auf Jahre hinaus eine erfolgreiche Tätigkeit der Luzernerischen Abteilung (LA) der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG). Hatten noch von 1835 bis 1838 an jeder Tagung der SGG luzernische Mitglieder teilgenommen, so erschien von 1839 bis 1852 kein Luzerner mehr an schweizerischen Tagungen. Mehrere, einstmals sehr aktive Mitglieder wurden durch die politischen Ereignisse gezwungen, sich zurückzuziehen oder ihren Wohnsitz außerhalb des Kantons zu verlegen … Die staatliche Neuordnung nach dem Sonderbundskrieg legte die Vereinstätigkeit weiterhin lahm; auch die innerhalb der siegreichen Gruppe vorhandenen Spannungen wirkten sich hemmend aus. Der früher so enge Zusammenhang unter den Mitgliedern hatte sich derart gelockert, daß der 1854 an der Tagung der SGG in Liestal einzig anwesende Luzerner sich äußern konnte: die Mitglieder der SGG im Kanton Luzern seien meistens ältere und dazu noch weit auseinander wohnende Leute, ohne eine Sektion zu bilden, ohne irgend welchen festen Zusammenhang.»[1] Zu den Geschehnissen während des Sonderbundskriegs:
Ab Februar 1848 machte sich eine Revisionskommission der Tagsatzung an das Programm einer Bundesrevision. Eine Mehrheit der Kantone (darunter Luzern) nahm während der Monate Juli und August in Volksabstimmungen die neue Bundesverfassung an. Dies war die Geburtsstunde der Schweiz, wie wir sie heute kennen.[2]
Zu Beginn des Jahres 1848 verlangten Österreich, Frankreich, Preussen und Russland von der Schweiz, die Auflösung des Sonderbunds und die Ausweisung der Jesuiten rückgängig zu machen. Die liberal-radikale Tagsatzungsmehrheit wies diese Forderung als Eingriff in die Souveränität der Schweiz scharf zurück. Der Sturz der Monarchie in Frankreich, die Aufstände in weiten Teilen Deutschlands und Österreichs, der Krieg zwischen Österreich und Sardinien-Piemont um die Vorherrschaft in Norditalien sowie die eine Intervention ablehnende Haltung Grossbritanniens verhinderten ein Eingreifen der kontinentalen Mächte endgültig.[3]
Der kurze Sonderbundskrieg kostete weniger Opfer als der 2. Freischarenzug von 1845. Die neuesten Untersuchungen gehen bei einer Kriegsdauer von 25 Tagen von insgesamt 93 gefallenen und 510 verwundeten Soldaten aus. Nach dem Krieg überwälzte die Tagsatzung die angefallenen Kriegskosten auf die ehemaligen Sonderbundskantone sowie die neutral gebliebenen Kantone Neuenburg und Appenzell Innerrhoden. Sie errechnete Gesamtkosten von 6,18 Millionen Franken. In Luzern war die finanzielle Belastung dieser drückenden Reparationszahlungen eine treibende Kraft bei der Aufhebung und ‹Versilberung› der Klöster St. Urban und Rathausen. Trotz der Niederlage des Sonderbunds flossen einige seiner Forderungen in die neuen Bundesverfassung von 1848 ein, wie der Wunsch nach Souveränität der Kantone, der auch von gemässigten Liberalen geteilt wurde. Der geistige Vater dieser Staatsidee war der Luzerner Gelehrte Ignaz Paul Vital Troxler aus Beromünster. Bereits 1833 publizierte Troxler einen Verfassungsentwurf und empfahl das Zweikammersystem nach dem Vorbild der Vereinigten Staaten von Nordamerika. 1848 veröffentlichte er erneut eine Schrift zu diesem Thema. An den Beratungen und bei den Beschlüssen zur neuen Bundesverfassung von 1848 hatten seine Schriften einen grossen und entscheidenden Einfluss auf den Aufbau des neuen Bundesstaates.[4]
[1]Blaser S. 34–35 · [2][3][4]Steiner S. 72
Entscheidungsschlacht des Sonderbundskriegs bei Gisikon LU am 23. November 1847 · Ybikon bei Meyerskappel: Die entscheidende Schlacht bei Meierskappel am 23.11.1847, Aquatinta teilkoloriert, um 1850, Martignoni, del.; Hürlimann, sc., Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung
1847
Bruderkrieg
In den Turbulenzen des Jahres 1847 ist die Luzernerischen Abteilung der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft zur Untätigkeit verurteilt[1]. Alles drehte sich um die Bewältigung des Sonderbundskriegs:
Mit der Juli-Revolution in Frankreich 1830, einem Aufstand der liberalen Bürger gegen den Absolutismus, erhielt der seit dem Ende Napoléons 1814 von den restaurierten konservativen Kräften des Ancien Régime in ganz Europa unterdrückte Liberalismus und Freiheitsgedanke einen neuen Impuls. In der Tradition der Französischen Revolution von 1789 und der napoleonischen Errungenschaften sollten persönliche Freiheitsrechte, Schutz vor willkürlicher Verhaftung, Glaubens- und Religionsfreiheit, das Recht auf Eigentum, Handels- und Gewerbefreiheit sowie Niederlassungsfreiheit garantiert werden. In der Schweiz gaben sich 1830/31 elf Kantone, darunter auch der Kanton Luzern, eine liberal-repräsentative Verfassung basierend auf den Prinzipien der Volkssouveränität und Rechtsgleichheit (die sogenannte Regeneration). Auf eidgenössischer Ebene wollten diese Kantone weg vom losen Staatenbund hin zu einem Bundesstaat mit einer handlungsfähigen Zentralmacht. So rückte in den folgenden Verfassungskämpfen die Revision des Bundesvertrags von 1815 in den Vordergrund. Nach dem Befund des französischen Gelehrten und Publizisten Alexis de Tocqueville, dessen Werke auch zur Lektüre von Josef Martin Knüsel (des späteren Bundesrates und Präsidenten der GGL) gehörten, hatte dieser Bundesvertrag dazu geführt, dass die allmächtigen Kantone einander paralysierten und die Tagsatzung und somit die Eidgenossenschaft dadurch oft handlungsunfähig waren.[2]
Der Konflikt zwischen Liberal-Radikalen und Konservativen führte zu zwei ersten Sonderbündnissen. Die konfessionellen Gegensätze spielten vorerst noch keine Rolle. Im März 1832 gründeten sieben liberal-radikale Kantone (Luzern, Zürich, Bern, Solothurn, St. Gallen, Aargau und Thurgau) das überkonfessionelle liberale Siebnerkonkordat, worauf sechs konservative Kantone (Uri, Schwyz ohne Ausserschwyz, Obwalden, Nidwalden, Neuenburg und Basel-Stadt) im November den ebenfalls überkonfessionellen konservativen Sarnerbund schufen, den die liberal-radikale Mehrheit der Tagsatzung jedoch bereits im August 1833 auflöste, da er ihrer Meinung nach gegen die Bestimmungen des Bundesvertrags verstiess. Dieser Konflikt spaltete nicht nur die Eidgenossenschaft, er spaltete auch die Gesellschaft innerhalb der Kantone in oft unversöhnliche Lager. So gab es etwa im Kanton Luzern in jeder noch so kleinen Gemeinde meist zwei Wirtschaften, eine ‹rote› (konservative) und eine ‹schwarze› (liberale), eine ‹rote› und eine ‹schwarze› Dorfmusik, einen ‹roten› und einen ‹schwarzen› Schützenverein und ‹rotschwarze› Liebschaften waren geeignet, in einer Tragödie zu enden.[3]
Im Schutzbündnis von 1845 der katholisch-konservativen Kantone Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden, Zug, Freiburg und Wallis, das nach dem 2. Freischarenzug geschlossen worden war, sahen die Liberalen und Radikalen nichts anderes als einen weiteren Sonderbund. Die politischen und nunmehr auch konfessionellen Gegensätze zwischen den katholisch-konservativen und den liberal-radikalen Kantonen verschärften sich. Zwei unversöhnliche Weltanschauungen standen sich gegenüber. Die Krise eskalierte und mündete 1847 in einen Bürgerkrieg, den Sonderbundskrieg: Am 4. November 1847 beschloss die Tagsatzungsmehrheit die gewaltsame Auflösung des Sonderbunds. Bereits zuvor waren auf beiden Seiten Truppen mobilisiert worden. Die fast 100‘000 Mann der eidgenössischen Tagsatzungstruppen wurden von Guillaume-Henri Dufour, die rund 80‘000 Mann starken Truppen des Sonderbunds von Johann Ulrich von Salis-Soglio kommandiert.[4]
Der Konflikt zwischen Liberalen und Konservativen fand im Ausland von Anfang an grosse Beachtung. Die Grossmächte Preussen, Österreich und Frankreich wollten einen Sieg der Liberal-Radikalen in der Schweiz verhindern. Sie befürchteten einen Dominoeffekt, der auf ihre eigenen Länder übergreifen würde. Sie waren bereit, den Sonderbund zu unterstützen, was aber nie so richtig zum Tragen kam.[5]
Während der Sonderbund militärisch unentschlossen, unkoordiniert und erfolglos agierte, konnte Dufour durch ein konzentriertes Vorgehen seine Truppen zum Sieg führen. Dufours erste Offensive richtete sich gegen den Kanton Freiburg, der von seinen Bündnispartnern geographisch isoliert war. Kampflos kapitulierte Freiburg am 14. November 1847. Danach marschierte Dufours Armee Richtung Zentralschweiz. Zug ergab sich widerstandslos. Danach, am 23. November 1847, besiegten seine Truppen bei Gefechten vor Luzern in Gisikon und Meierskappel die Truppen des Sonderbunds. Zwischen dem 25. und 29. November 1847 folgte die kampflose Unterwerfung der Urkantone Uri, Schwyz und Unterwalden sowie des Wallis. Damit war das Ende des Sonderbunds besiegelt. Die Tagsatzungsmehrheit entsandte in die besiegten Kantone eidgenössische Kommissare, die für neue Regierungen und die Ausweisung der Jesuiten sorgten. Bis auf Schwyz setzten die Liberal-Radikalen per Diktat in jedem ehemaligen Sonderbundskanton eine ihnen genehme Übergangsregierung ein.[6] Im Kanton Luzern wurde unter dem Schutz der eidgenössischen Truppen ein neuer Grosser Rat gewählt, dem fast nur Liberale angehörten. Die Liberalen blieben im Kanton bis 1871 an der Macht.[7]
[1]Blaser S. 34 · [2][3][4][5][6]Steiner S. 70–72 · [7]Steiner S. 100
Heftige Kämpfe zwischen Freischärlern und Luzerner Regierungstruppen in Malters vom 30. bis 31. März 1845 während des 2. Freischarenzugs · Illustration, Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern, Sondersammlung
1845
Politische Lage spitzte sich weiter zu
Der Gegensatz zwischen Liberalen und Konservativen spitzte sich weiter zu und vergiftete das politische Klima vollends. In diesem Umfeld war es der Luzernerischen Abteilung der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft nicht mehr möglich, noch tätig zu sein[1]. Wie es dazu kam:
Im 2. Freischarenzug 1845 übernahm der spätere Bundesrat Ulrich Ochsenbein zusammen mit dem späteren liberalen Luzerner Regierungsrat Jakob Robert Steiger das Kommando über knapp 4‘000 Freischärler, vom Kanton Bern mit Gewehren, Kanonen und Munition versorgt. Dieses Mal stiessen die Freischärler bis vor Luzerns Stadtmauern vor. Die Luzerner Regierung wähnte sich bereits verloren. Im Nachtlager der Belagerer löste ein versehentlich abgefeuerter Schuss jedoch eine panikartige Flucht aus. Luzerner Regierungstruppen stellten sich den Flüchtenden entgegen und überwältigten sie. An die 2‘000 Freischärler kamen in Gefangenschaft. Die Kämpfe forderten über 120 Tote, über 100 davon unter den Freischärlern. Mehr als 700 Luzerner Bürger wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt. Die Gefangenen aus anderen Kantonen liess man gegen ein hohes Lösegeld frei. Der 2. Freischarenzug führte zu einer weiteren Verhärtung der Fronten zwischen Konservativen und Liberalen innerhalb des Kantons Luzern und auf eidgenössischer Ebene. Als konservative Antwort auf die Freischarenangriffe erfolgte 1845 die Gründung eines Schutzbundes der sieben katholisch-konservativen Kantone Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden, Zug, Freiburg und Wallis zur Wahrung der katholischen Religion und der Kantonssouveränität.[2] Zur Verhärtung der Fronten trug auch die Ermordung von Joseph Leu von Ebersol (einem einflussreichen konservativen Luzerner Politiker und massgeblichen Förderer der Jesuitenberufung) durch einen Anhänger der Liberalen bei [3].
[1]Blaser S. 34 · [2]Steiner S. 68 · [3]Steiner S. 100
Gefecht bei der Emmenbrücke am 8. Dezember 1844 während des 1. Freischarenzugs · Illustration, Staatsarchiv Luzern, PS 43/1.1
1844
Im Schatten von Jesuiten und Freischaren
Die konservative Regierung beschloss die Berufung der Jesuiten nach Luzern[1], damit diese an höheren Schulen ihre Lehrtätigkeit wieder aufnehmen würden. Für die Liberalen und Radikalen waren die Jesuiten das Feindbild schlechthin, die katholische Speerspitze des Papstes gegen den Fortschritt und die Freiheit. Die Jesuitenberufung war ein derart starker Auslöser, dass bei vielen Liberalen und Radikalen die Bereitschaft erwuchs, das Luzerner ‹Jesuiten- Problem› mit Gewalt zu lösen. So kam es zur Bildung von inoffiziellen militärischen Verbänden, die in zwei Vorstössen – den beiden Freischarenzügen – versuchten, die katholisch-konservative Regierung und Ordnung im Kanton Luzern zu stürzen.[1]
«Wie eine wohlorganisirte Freischaar ausziehen thät». Karikatur von Gottfried Keller als Tambour der Freischärler · Aquarell von Johannes Ruff · 1845 · Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung Der 1. Freischarenzug 1844 mit rund eintausend Freischärlern aus der Luzerner Landschaft und den Kantonen Aargau, Solothurn und Baselland war militärisch schlecht vorbereitet und konnte von den Luzerner Regierungstruppen schnell zerschlagen werden. Die Luzerner Behörden reagierten auf den Putschversuch mit zahlreichen Verhaftungen, Verbannungen und Gütereinziehungen. Zahlreiche Luzerner flüchteten in liberal-radikale Kantone ins Exil. Die Spannungen zwischen Liberalen und Konservativen in Luzern nahmen weiter zu und auf eidgenössischer Ebene fehlten die Bereitschaft und die Mittel, den Konflikt friedlich beizulegen.[2]
Dieser Konflikt zwischen Liberalen und Konservativen machte es der Luzernerischen Abteilung der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft unmöglich, noch aktiv zu sein[3].
[1]Steiner S. 98 · [2]Steiner S. 68 · [3]Blaser S. 34
1841
Politische Polarisierung
Im Kanton Luzern übernahmen die Konservativen, gestützt von der Landbevölkerung, die Macht: Sie steuerten einen klerikal-ultramontanen Kurs, setzten aber mit einer ‹Konstitution der Volksrechte› fortschrittliche demokratische Spielregeln durch (allgemeines Stimmrecht, direkte Wahlen, Verfassungsinitiative).[1] Diese Umwälzungen im politischen Umfeld erschwerten es der Luzernerischen Abteilung der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft, ihren gemeinnützigen Zweck wirksam zu verfolgen[2].
[1]Steiner S. 98 · [2]Blaser S. 34
1835
Versuch einer Wiederbelebung
Als Eduard Pfyffer Ende 1834 starb, verlor die Luzernische Abteilung (LA) der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG) ihren tätkräftigen Präsidenten in einem Moment, wo sie ihn unbedingt nötig gehabt hätte, um die seit 1831 eingetretene Stagnation zu überwinden. Nachdem sich die politischen Verhältnisse etwas konsolidiert hatten und 1835 die SGG die Arbeit wieder aufgenommen hatte, machten sich Männer aus dem engsten Freundeskreis Eduard Pfyffers ans Werk, die LA zu neuem Leben zu erwecken. Ein führender Luzerner Liberaler, Regierungsrat Lorenz Baumann, konnte fürs Präsidium gewonnen werden. Zusammen mit Bernard Wiki entwarf er neue Statuten, in Anlehnung an die Statuten der SGG und reorganisierte die LA. Sie setzte sich um Ziel, «die wohltätigen Bemühungen der SGG in Hinsicht auf Erziehung und Armenwesen und die Gewerbstätigkeit nach Kräften zu befördern. Von 1837 an gliederte sie sich in drei Sektionen: eine für das Armenwesen, eine für das Erziehungswesen und eine für Fragen der Gewerbetätigkeit». Unter dem Präsidium von Baumann (1835–37) wurden so viele Neueintritte verzeichnet wie nie zuvor.[1]
Politische Umwälzungen lähmten gemeinnützige Tätigkeit
Die politischen Umwälzungen in der Zeit von 1830 bis 1848 (und auch den Folgejahren) führten dazu, dass den Mitglieder der LA der SGG kaum Zeit blieb, sich den Vereinsaktivitäten zu widmen. Trotzdem gab es eine Reihe von Gründungen und Anregungen, die von einzelnen Mitglieder ausgingen oder gefördert wurden: Lehrer-, Witwen- und Waisen-Unterstützungsverein (später Lehrer-, Witwen- und Waisenkasse genannt), Gründung der kantonalen Hagelversicherung, Schweizerische Verein für Volksbildung, Verein zur Unterstützung armer Schulkinder, Armenverein und Hilfskomitee für die aus der Lombardei vertriebenen Tessiner.
[1]Blaser S. 33 · [2]Blaser S. 35–36
1834
Früher, unerwarteter Tod Eduard Pfyffers
Auf einer Reise nach Olten stirbt Eduard Pfyffer unerwartet. Mit ihm verlor nicht nur die Luzernische Abteilung der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG), sondern auch Luzern eine fähige und tatkräftige Persönlichkeit, «einen Mann des Maßhaltens, der wohl gerade deshalb in den Jahren stürmischer Entwicklung bei seinen Parteifrunden radikaler Richtung nicht immer Verständnis fand. In der politischen Geschichte des Kantons Luzern stand Eduard Pfyffer etwas im Schatten seines jüngeren Bruders Kasimir, dem ein längeres Leben erlaubte, den Erfolg seiner Bemühungen um den fortschrittlichen Ausbau unseres Staates zu sehen. Was aber Kasimir Pfyffer in jahrzehntelanger Arbeit auf dem Gebiete des Rechtswesens leistete, das hat Eduard während nur knapp 20 Jahren im Erziehungs- und Armenwesen und auf dem Gebiete der Gemeinnützigkeit in rastlosem Bemühen zustande gebracht.»[1] Eduard Pfyffer war der Gründungsvater der Luzernischen Abteilung der SGG. In den Jahren seines Präsidiums gelang es, viele neue Mitglieder zu werben und die Sache der Gemeinnützigkeit, des Armenwesens sowie der Volkserziehung und -gesundheit entscheidend voran zu bringen.[2]
[1]Blaser S. 19 · [2]Blaser S. 20–22
1830
Stillstand infolge der politischen Ereignisse
Mit der Julirevolution in Frankreich erhielten liberale Strömungen in ganz Europa Aufschwung. So auch in der Schweiz, wo die Unzufriedenheit mit dem restaurativen Kurs ständig zunahm. In Luzern formierte sich eine starke liberale Strömung infolge der zunehmende Unzufriedenheit mit dem antiliberalen Kurs der Regierung. Das bewegte den Grossen Rat, die Wahl eines Verfassungsrates zur Ausarbeitung einer neuen Kantonsverfassung anzuordnen.[1] «Die Verfassungsrevision nahm alle führenden Männer, und es waren deren in der LA [Luzernerischen Abteilung der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG)] nicht wenige, vollständig in Anspruch. Die liberale Neuorganisation des Staates mit den zahlreichen gesetzgeberischen Aufgaben ließ den Mitgliedern der Regierung und des Großen Rates keine Muße mehr für die eher stille Arbeit in der LA. Viele politisch aktive Mitglieder der LA schlossen sich den nach 1831 zahlreich entstehenden Vereinen patriotisch-politischen Charakters an, oft mehreren gleichzeitig, wodurch ihre Beanspruchung noch größer wurde. Auch die Landwirtschaftliche Gesellschaft erhielt aus den Reihen der LA neuen Zuwachs.»[2] Dadurch kam die Tätigkeit der Luzernischen Abteilung der SGG zum Erliegen.[3]
[1]Steiner S. 92–93 · [2][3]Blaser S. 32
Eduard Pfyffer von Altishofen · [1]
1823
Die Luzernische Abteilung der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG)
Als im Jahr 1823 die Hülfsgesellschaft (HG) endgültig aufgelöst wurde, bestand der Luzerner Ortsverein der SGG noch aus 8 Mitgliedern. Von diesen Mitgliedern wohnte eines im Kloster St. Urban, ein anderes trat 1824 aus. Es war daher ein Glücksfall, dass Staatsrat Eduard Pfyffer sich der SGG anschloss. Dank ihm erhielt der kleine Ortsverein einen energischen Wortführer, der aus ihm einen der aktivsten Kantonalvereinigungen der SGG machte.[2]
Eduard Pfyffer von Altishofen
Eduard Pfyffer von Altishofen war der Sohn des päpstlichen Gardehauptmanns Franz Ludwig Pfyffer von Altishofen und der Aloisia von Reding. Er wurde 1782 in Rom geboren. Im Jahr 1798 kehrte die Familie nach Luzern zurück. Im gleichen Jahr wurde Eduard Pfyffer mit jungen 17 Jahren Kriegskommissär des Distrikts Luzern. Von 1803 bis 1810 arbeitete er im Geschäftsbüro der Begrüder Gloggner. 1810 eröffnete er ein eigenes Anwaltsbüro. Er bekleidete verschiedene Ämter wie das des Schultheiss des Kantons Luzern. Pfyffer war redegewandt und hatte einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Er sprach fliessend deutsch, französisch und italienisch. Am Aufstand 1814 der Luzerner Aristokraten gegen die progressive Mediationsregierung beteiligte er sich nicht. Trotzdem wurde er nach dem Sturz der Regierung von der Stadtbürgerschaft in die neue Regierung entsandt. Es war seinem unerschrockenen Verhalten zu verdanken, dass die neue patrizische Regierung wegen des vom Lande her drohenden Anmarsches der Mediationsanhänger nicht aufgab. Man hat ihm diese Partei- und Stellungnahme lange als Verrat an der liberalen Sache nachgetragen. «Im Kleinen Rat wirkte er für Mäßigung und Gerechtigkeit. Mit der Zeit wuchs sein Vertrauen zur Demokratie. Er wurde zum Palladium der Anhänger eines neuzeitlichen Liberalismus, zeigte aber nichts von der Verbissenheit und dem Draufgängertum seines Bruders Kasimir.»[3]
«Was bewog den vielbeschäftigten Staatsmann zum Anschluß an die SGG? Er äußerte sich darüber nie direkt; aus verschiedenen Briefstellen geht jedoch hervor, daß er in der SGG den Kreis von Männern zu finden hoffte, mit dem er seine erziehungs- und armenpolitischen Ideen besprechen konnte. Zudem hatte sich um 1822 das politische Klima im Kanton Luzern, nach einigen Aufhellungen, wieder verschlechtert. Die liberale Richtung in der Regierung, besonders durch Schultheiß Amrhyn, Eduard Pfyffer, Josef Krauer verkörpert, erlitt 1821 ihre erste Niederlage. Pfyffer hatte im Jahre 1819 das Lyzeum umgestaltet und, neben andern neuen Lehrern, auch den bekannten Artz, Philosophen und radikalen Politiker Dr. Paul Ignaz Vital Troxler zum Lehrer der Geschichte und der Philosophie berufen. Das Landschulwesen erfuhr nachhaltige Förderung. … Aber ab 1821 erfolgte der Rückschlag. Troxler wurde von der Regierung entlassen, Pfyffer wurde als Erziehungsrat nicht mehr bestätigt, und gleichzeitig erfolgten von geistlicher Seite her heftige Angriffe…Die Entlassung Troxlers gab einer Anzahl liberal gesinnter Männer den Anlaß zur Gründung eines politischen Vereins, der sogenannten Mittwochgesellschaft, der sich bald alle führenden Liberalen anschlossen. In der Mittwochgesellschaft fand Eduard Pfyffer gleichgesinnte Freunde. Viele von ihnen traten in der Folge der SGG und ihrer luzernischen Abteilung bei; dies wurde der Kreis, in dem er seine schul- und armenpolitischen Ideen besprechen konnte. Zwischen 1824 und 1840 gehörten fast alle in Luzern wohnhaften Mitglieder der SGG auch der Mittwochgesellschaft an, ebenso der Landwirtschaftlichen Gesellschaft mit ebenfalls liberaler Tendenz. Sämtliche Präsidenten der Landwirtschaftlichen Gesellschaft zwischen 1823 und 1836 waren Mitglieder der Luzerner Abteilung der SGG.»[4]
[1]Blaser S. 28–29 · [2]Blaser S. 18 · [3]Blaser S. 18–19 · [4]Blaser S. 19–20
1820
Die letzten Jahre der Hülfsgesellschaft (HG)
Ab dem Jahr 1820 wurde es zunehmend schwieriger, den Betrieb der Arbeitsanstalt aufrecht zu erhalten. Die 50 Mitglieder der HG mussten die Betriebskosten selbst bestreiten, da die freiwilligen Beiträge ausblieben. Im Januar 1820 erhielt die HG vom Luzerner Kriegsrat ganz überraschend die Aufforderung, die Räume der Arbeitsanstalt in der Sentikaserne zu räumen. Alle Versuche, diese Anordnung rückgängig zu machen, blieben erfolglos und der 1816 mit so viel Einsatz und Begeisterung begonnene Betrieb musste eingestellt werden. Damit wurde der HG das letzte Tätigkeitsgebiet entzogen, nachdem die Suppenanstalt und die Armenunterstützung bereits zuvor eingestellt worden waren.[1]
Lokalpolitische Auseinandersetzungen
Zu dem durch äussere Umstände bedingten Misserfolg mit der Arbeitsanstalt kamen noch interne, lokalpolitisch bedingte Auseinandersetzungen zwischen führenden Mitgliedern der HG. In einem Teil der Bürgerschaft hatte sich eine starke Opposition gegen den Verwaltungsrat der Stadt Luzern gebildet. Sowohl der Wortführer der Opposition, Johann Josef Lutiger (der schliesslich 1824 aus der SGG austrat), als auch mehrere der angegriffenen Verwaltungsräte gehörten der HG an. Im Bericht an die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft (SGG) wird festgestellt, dass diese Auseinandersetzung «die vorjährigen Verhandlungen der Gesellschaft ermüheten und einen Zustand der Lähmung herbeiführten».[2]
Auflösung der Hülfsgesellschaft (HG)
Die Einstellung der Arbeitsanstalt und die inneren Schwierigkeiten führten 1823 zur Liquidation der HG. Das restliche Kapital wurde auf ein Sparheft angelegt und sollte, wenn die Gesellschaft «je nach Umständen der Noth wieder in neues Leben gerufen würde», ihr wieder zur Verfügung stehen. Nach der Auflösung der HG stand der kleine Ortsverein Luzern der SGG wieder ohne Organisation und besondere Aufgaben da – jedoch nicht für lange. Nur wenige Wochen danach entstand aus dem Ortsverein die Luzernische Abteilung der SGG.[3]
[1][2][3]Blaser S. 15
1818
Arbeitsanstalt mit grossem Rückhalt in der Bevölkerung
Im Laufe eines Jahres flossen bis Oktober 1818 fast 2’000 Franken an Beiträgen und gegen 1’300 Franken an Schenkungen an die Hülfsgesellschaft (HG) zur Unterstützung der Arbeitsanstalt. Dank der Unterstützung durch die Luzerner Bevölkerung konnte die Arbeitsanstalt auch 1818 weitergeführt werden wie auch die Abgabe von Arbeitsmaterial an bedürftige Arbeitslose. Die Stadtverwaltung wurde ersucht, der HG zum Verkauf der Fabrikate aus der Arbeitsanstalt die unentgeltliche Benützung des städtischen Werchhauses zu gestatten. Dieses Gesuch wurde jedoch abgelehnt.[1]
Suppenanstalt wird eingestellt
Die anhaltende Besserung der wirtschaftlichen Lage führte im Frühjahr 1818 zu einem starken Frequenzrückgang bei der Suppenanstalt. Die HG beschloss daher, deren Betrieb auf Ende April einzustellen. Die Hausalmosen an arbeitsunfähige Bedürftige wurden ebenfalls eingeschränkt und Ende Oktober ganz eingestellt.[2]
[1]Blaser S. 13 · [2]Blaser S. 13
1817
«Hülfe dem zu leisten, so er Hülfe bedarf»
Im Februar 1817 gelangte die Hülfsgesellschaft (HG) mit einem … Appell an die Stadtbevölkerung. Als Zweck wurde genannt: «Hülfe dem zu leisten, so der Hülfe bedarf. Die Gesellschaft will nicht Schein-Armuth unterstützen, nicht Trägheit, nicht Müßiggang pflanzen, sondern dem rechtschaffenen wahrhaft Armen nur insoweit helfen, daß er mit eigener Thätigkeit und strenger Sparsamkeit sich vor Noth schützen kann.» Dieses Ziel erhoffte man durch folgende Massnahmen zu erreichen: Geld- und Lebensmittelbeiträge an gebrechliche, arbeitsunfähige Arme, durch Arbeitsvermittlung an arbeitsfähige Arme und durch Erziehung der vernachlässigten Jugend mit Religions- und Schulunterricht in einer Arbeitsanstalt. Aus der Stadt bildete man vier Armenquartiere, in denen man über die einzelnen Bedürftigen vorerst genaue Erkundigungen einzog. Diese Erhebungen wurden von der Armenpflegern vollzogen, die auch den Einzug der freiwilligen Beiträge besorgten. Für dieses nicht leichte Amt stellten sich angesehene Mitglieder der HG zur Verfügung.[1]
Weiterführung der Suppenanstalt und Eröffnung der Arbeitsanstalt
Auch 1817 war die Not noch gross[2], wenn auch nicht mehr so schlimm wie im Jahr zuvor. Die im Vorjahr gegründete Suppenanstalt wurde daher weitergeführt. Zwischen dem 28. Juli 1816 und dem 30. Juni 1817 wurden fast 14’000 Portionen Suppe ausgegeben, davon nur rund 3’000 gegen ein bescheidenes Entgelt. Die von der HG schon im Herbst 1816 als wichtigste Massnahme gegen den Gassenbettel geplante Arbeitsanstalt konnte im Januar 1817 eröffnet werden. Die Kinder wurden mit Wollen- und Leinenspinnen beschäftigt und erhielten auch Unterricht in Religion, Lesen, Schreiben und Rechnen. Die Erwachsenen konnten auf ihrem Berufe arbeiten. Alle Insassen der Arbeitsanstalt erhielten eine Morgen- und Abendverpflegung und mittags die Rumfordsuppe. Die Verpflegungskosten wurden vom Verdienst abgezogenen. Der Kanton Luzern stellte der HG in der Sentikaserne einige Räume und eine Küche zur Verfügung. Als Betriebskapital erhielt die Arbeitsanstalt einen Beitrag von 400 Franken aus dem Sammlungsergebnis für ein Keller-Denkmal. Die übrigen Mittel wurden durch Sammlungen beschafft. «Luzerns Wohltätigkeit bewährte sich, und die Gesellschaft war im Stande, ihren Plan, wenn schon nicht nach Wunsch ausgedehnt, doch für diese harten Zeiten genügend auszuführen.» Die Sammlung der Monate Februar bis Mai 1817 ergab 1’315 Franken 98 Rappen dazu kamen noch Schenkungen von Kirchen und Vereinen im Betrag von rund 700 Franken.[3] Um das Fortbestehen der Arbeitsanstalt auf lange Sicht abzusichern, wurden bei den zuständigen Behörden Gesuche eingereicht, um die Arbeitsanstalten der HG und die des städtischen Waisenhauses zusammenzulegen und zu ein kantonalen Institut zu machen. Diese Gesuche der HG fanden bei den Behörden von Stadt und Kanton jedoch kein Gehör.[4]
Weitere Unterstützungen
Vom Herbst 1816 bis im Sommer 1817 wurden wöchentlich 35 Familien mit Geld unterstützt, an 34 Familien wurden Lebensmittel und Suppe unentgeltlich abgegeben und 43 Familien von Arbeitslosen erhielten Arbeit zugewiesen.[5]
Mitglieder
Über die Mitglieder der HG gab das der ersten Abrechnung von 1817 beiliegende Mitgliederverzeichnis Auskunft. 57 Namen waren aufgeführt, darunter Regierungsräte, Verwaltungsräte der Stadt Luzern, Geistliche, Ärzte sowie Verwaltungs- und Gerichtsbeamte. Die acht in Luzern wohnhaften Mitglieder der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG) gehörten alle der HG an. Stark vertreten in der HG waren die Mitglieder des Trokenbundes. Von der kurzlebigen ‹alten› Gemeinnützigen Gesellschaft waren sechs auch Mitglieder der HG.
[1]Blaser S. 13 · [2]Steiner S. 87 · [3]Blaser S. 13–14 · [4][5]Blaser S. 14 · [6]Blaser S. 16
1816
Neugründung der Hülfsgesellschaft (HG) im Jahr ohne Sommer
Der Ausbruch des Tambora-Vulkans in Niederländisch Indien (dem heutigen Indonesien) 1815 war der grösste Ausbruch eines Vulkans auf der Welt seit Menschengedenken. Er forderte unmittelbar mehr als 70’000 Menschenleben und bewirkte eine temporäre globale Klimaveränderungen, die aufgrund der Auswirkungen auf das nordamerikanische und europäische Wetter dem Jahr 1816 die Bezeichnung Jahr ohne Sommer einbrachte.[1] «Anhaltende Kälte und Schneefälle liessen den Sommer 1816 zu einem der kältesten der letzten 500 Jahre werden und zogen in Mittel- und Westeuropa grosse Ernteausfälle und eine riesige Teuerungswelle nach sich. Nahrungsmittel wurden für die Mehrheit der Bevölkerung zu einem unerschwinglichen Gut; Mangelernährung, Krankheiten und Bevölkerungsverluste waren die Folge.»[2] Die Not im Kanton Luzern war gross. Um die Not zu lindern, erfolgte am 10. Juni 1816 die Neugründung der HG unter dem Präsidium von Schultheiss Franz Xaver Keller. «Als erste Hilfsmaßnahme beschloß die Gesellschaft die Errichtung einer Suppenanstalt, wo gegen bescheidenes Entgelt die sogenannte ökonomische oder Rumfordische Suppe abgegeben werden sollte». Die Stadt Luzern stellte dafür das Gärtnergebäude beim Kollegium zur Verfügung und unterstützte die Aktion durch die Abgabe von Brennholz. Die Suppenausteilung begann am 28. Juli 1816, täglich jeweils ab 11 Uhr in Portionen von 40 Lot (was ungefähr 6 Dezilitern entspach). [3]
Es war 1816 ein Müller. Der hatte das Glück, in schweren Zeiten Getreide einfahren zu können. So lud er sich seine Freunde und seinen Hund regelmässig zum Abendessen ein. Leider bekam der Pöbel Wind davon und lynchte die Wucherer, schlug deren Ohren ab und verübte einen Brandanschlag auf des Müllers Mühle. So fand der sich mausarm und von Eintreibern heimgesucht in seinem leeren Hause wieder. Der Wucherer – Glück und Ende. Verbleib unbekannt. Bild: zvg · Der Bund Plötzlicher Tod von Franz Xaver Keller
«Der plötzliche [und mysteriöse] Tod des Schultheißen Keller, des großen Förderers aller gemeinnützigen Bestrebungen, war für die noch gar nicht festgefügte HG ein schwerer Schlag. Aber die Not der Zeit gebot … die Weiterführung des begonnenen Werkes. Der frühere helvetische Justizminister und Freund Kellers, Franz Bernhard Meyer von Schauensee (1763–1848), Staatsseckelmeister, übernahm das Präsidium der HG…»[4]
Alte Gemeinnützige Gesellschaft inaktiv
«Im Mai 1816 gelangte die Gemeinnützige Gesellschaft an den Verwaltungsrat der Stadt Luzern mit dem Ersuchen, ihr für das geplante Kunst- und Naturalienkabinett ein geeignetes Lokal zu überlassen. Die Behörde lehnte das Gesuch ab. Nach diesem Misslungenen Vorstoß … hören wir von der Gemeinnützigen Gesellschaft nichts mehr. Interessanterweise erwähnt Kasimir Pfyffer die von ihm mitbegründete Gemeinnützige Gesellschaft in seinen Lebenserinnerungen mit keinem Wort. Nur zwei ihrer Mitglieder, Segesser und Kasimir Pfyffer, finden wir später in den Reihen der SGG [Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft].»[5]
[1]Steiner S. 86–87 · [2]Krämer · [3]Blaser S. 12–13 · [4]Blaser S. 13 · [5]Blaser S. 17
Die Schlacht bei Waterloo · Gemälde von William Sadler · Wikimedia
1815
Rückkehr zur alten Ordnung
Zwar kehrte Napoléon 1815 nach Frankreich zurück und übernahm wieder die Macht (Herrschaft der Hundert Tage), wurde dann aber in der Schlacht von Waterloo endgültige besiegt und musste auf St. Helena, der unwirtlichen Insel im Südatlantik, ins Exil. Der Wiener Kongress verhandelte weiter und brachte auf politischer Ebene mit der Restauration weitgehend die Rückkehr zum vorrevolutionären Acien Régime. Zudem anerkannten die europäischen Mächte die immerwährende Neutralität der Eidgenossenschaft. In Luzern konsolidierten die Patrizier die im Vorjahr zurückgewonnene Macht.[1]
Gründungsversammlung der ‹alten› Gemeinnützigen Gesellschaft
«Die endgültige Konstituierung des Vereins wurde am 30. Dezember 1815 durchgeführt; unter den 16 Teilnehmern fanden sich auch zwei Nichtaristokraten, Lithograph Kaspar Belliger (1790–1845) und der bekannte Zeichner Augustin Schmid (1770–1837). Die sehr ausführlichen Statuten – sie enthielten 48 Paragraphen – fanden Zustimmung. Sehr detailliert geregelt wurde darin die geplante Anlage eines Kunst- und Naturalienkabinetts, das, sobald es über genügend Gegenstände verfüge … der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollte.»[2]
[1]Steiner S. 86–87 · [2]Blaser S. 17
Am 18. September 1814 begann der Wiener Kongress, um nach den Wirren der napoléonischen Zeit, Europa neu zu ordnen. Er dauerte bis zum 9. Juni 1815 und definierte in Europa zahlreiche neue Grenzen und Staaten · Salzburger Nachrichten
1814
Krise und Neuordnung
Die Tätigkeit der ‹Gemeinnützigen› wurde 1814 noch stärker als im Vorjahr von den Krisen und Kriegen in Europa eingeschränkt:[1] In der Schlacht von Paris unterlag Napoléon und musste auf die Insel Elba ins Exil und ermöglichte in Frankreich die Rückkehr der Bourbonen auf den Thron. In Luzern stürzten Patrizier die liberale Regierung und übernahmen die Macht. Die Separation von Kanton und Stadt wurde verringert, aber nicht aufgehoben. Mit dem Reglement für die Bürgergemeinde erhält die Stadt ihre erste schriftliche Verfassung. In der österreichischen Hauptstadt begann der Wiener Kongress mit Vertretern aus ganz Europa, um eine neue Friedensordnung für Europa zu finden. So kamen durch Beschluss der Mächte am Wiener Kongress neue Kantone zur Schweiz: das Wallis, Neuenburg und Genf, das Veltlin jedoch ging verloren und der katholische Jura wurde dem protestantischen Bern zugeschlagen.[2]
Lage der gemeinnützigen Hülfsgesellschaft (HG)
«Im Sommer 1814 erkundigte sich Präsident Hirzel der [Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft] SGG bei Schultheiß Keller nach der Luzerner [Hülfsgesellschaft] HG. Keller teilte ihm mit, daß die Luzerner HG schon lange untätig sei. «Ich hoffe aber, daß bey der neuen Ordnung der Dinge sich Männer zeigen werden, die mit Freuden zur Wiederherstellung dieser Gesellschaft oder zu Errichtung einer neuen Hand biethen werden. Auch werden veränderte Verhältnisse gewiß die meisten Mitglieder der SGG nicht abhalten, an diesem so wohltätigen Institut den wärmsten Anteil zu nehmen, sondern sie werden vielmehr, ich zweifle nicht daran, es sich zur Freude und Pflicht machen, so viel ihnen Zeit und Geschäfte gestatten, zu dem edlen Zwecke mitzuwirken.» Schultheß Keller … ging mit Energie an die Wiederbelebung der HG. Seine Hoffnung erfüllte sich: die Männer fanden sich, der Ortsverein der luzernischen Mitglieder der SGG stellte sich zur Verfügung. Ebenso fand Keller im Kreise des Trokenbundes, eines 1805 gegründeten … geselligen Kreises, opferbereite Helfer …»[3]
Luzerns ‹alte› Gemeinnützige Gesellschaft
Während die HG infolge der politischen Ereignisse zur Untätigkeit verurteilt war, entstand in Luzern ein Verein, der sich den Namen Gemeinnützige Gesellschaft gab. Am 24. November 1814 versammelten sich in der Wohnung von Felix Balthasar (1794–1854), dem späteren Regierungsrat und Stadtpräsidenten von Luzern eine Anzahl jüngerer Aristokraten, welche die «Bildung eines gesellschaftlichen Vereins zum Nutzen und zur Unterhaltung» beschlossenen. Zum vorläufigen Präsidenten wurde Josef Frz. Lorenz Segesser (1780–1849), zum Sekretär Kasimir Pfyffer ernannt und den beiden der Auftrag zur Ausarbeitung von Statuten erteilt…[4]
Kasimir Pfyffer von Altishofen, Fotografie, Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern, Sondersammlung
Die Zweckbestimmung des Vereins: «Wechselseitige Ausbildung der Glieder desselben untereinander und in der Folge bey zunehmendem Wasthum ihrer physischen und moralischen Kräfte Beförderung des gemeinen Nutzens.» Um diesen Zweck zu erreichen, sah man vor: «nützliche Unterhaltung in Künsten, Wissenschaft und Industrie, Anlegung eines Naturalien- und Kunstkabinetts.»[5]
[1] Blaser S. 12 · [2] Steiner S. 86–87 · [3] Blaser S. 12 · [4][5] Blaser S. 17Das Lebensmittelgeschäft der Familie Familie Knüsel am Kornmarkt in Luzern, an der Ecke Werchlaubengässli/Kapellgasse · Fotografie, um 1900, Stadt Archiv Luzern, FA Knüsel
1813
Einsatz fürs Luzerner Volk und Völkerschlacht bei Leipzig
Krisen- und Kriegszeiten waren auch in Luzern immer eine schwere Prüfung fürs Volk. Die ‹Gemeinnützigen› halfen den Armen mit einer Suppenabgabe und begannen, sich der Taubstummenbildung anzunehmen. «Im Mai 1813 befaßte sich eine Versammlung mit Fragen der künftigen Tätigkeit. Dann überschatteten die weltpolitischen Ereignisse das lokale Geschehen.»[2] In der Völkerschlacht von Leipzig besiegten Russland, Österreich, Preussen und Schweden die Truppen Napoléons und beendeten damit die französische Vorherrschaft in Europa. Die reaktionären Kräfte in der Schweiz, die sich nach den vorrevolutionären Zuständen des Ancien Régimes sehnten, sahen ihre Stunde gekommen und hoben die von Napoléon auferlegte Mediationsverfassung auf. Das Rad der Geschichte wurde aber nicht vollständig zurückgedreht. So blieben etwa die 1803 neu geschaffenen Kantone St. Gallen, Graubünden, Aargau, Thurgau, Tessin und Waadt bestehen.[3]
Josef Martin Knüsel
Am 16. November 1813 wurde in Luzern [der spätere Bundesrat und GGL-Präsident] Josef Martin Knüsel geboren. Er war der Sohn des Lebensmittelhändlers Melchior Josef Knüsel (1767–1851) und der Josefa geborene Küttel. Taufpaten waren Martin Nigg und Kathri Küttel. Sein Vater führte ein Lebensmittelgeschäft am Kornmarkt, Ecke Werchlaubengässli 2 / Kapellgasse 30 und war wohlhabend. Philipp Anton von Segesser schildert ihn als «Mann von altem Schrot und Korn, ehrlich und grob, sparsam und fromm». Er repräsentierte «in seiner äusseren Erscheinung jenes alte, fast völlig verschwundene Bürgertum, das den Städten unseres Vaterlandes eigen war».[4]
[1] Steiner S. 8 · [2] Blaser S. 12 · [3] Steiner S. 86 · [4] Steiner S. 8
Der Übergang über die Beresina, von January Suchodolski · Wikimedia Commons
1812
Gründung der Gemeinnützigen
Die luzernischen Angehörigen der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG) bildeten seit 1812 einen Ortsverein Luzern … Die in Luzern wohnhaften Mitglieder gründeten im gleichen Jahr die Hülfsgesellschaft (HG), da der kleine Ortsverein der SGG alleine nicht in er Lage war, irgend eine grössere Hilfsaktion zu unternehmen. Stadtpfarrer Thadäus Müller war dabei federführend. Am 5. September 1812 berichtete Müller: «Unsere HG hat sich constituirt. Herr Schultheiß [Dr. med. Heinrich] Krauer ist Präsident, und Herr Stadtraths-Präsident [Franz Xaver] Keller ist Secretair.» Zwischen Krauer, der energisch die Interessen des Landvolkes vertrag, und Keller, einem Vertreter der Luzerner Aristokratie, bestanden jedoch starke politische Meinungsverschiedenheiten, was die HG bis zu einem gewissen Grad lähmte. Daher versuchte Stadtpfarrer Müller den Zweck der HG und deren Trägerschaft zu erweitern. Am 30. November 1812, einen Tag nach dem Ende der Schlacht an der Beresina (siehe dazu unten), unterbreitete die HG in einem Schreiben an den Luzerner Kleinen Rate die Grundsätze des erneuerten Vereins, der sich statt «Hülfsgesellschaft» nun «Gesellschaft gemeinnütziger Beratungen» (GGB) nannte. Aus den Statuten der GGB: «Der Zweck des Gesellschaft geht dahin, auf die Verbesserung des moralischen und physischen Wohls ihrer Mitbürger, durch freundschaftliche Besprechung und Entwerfung gemeinnütziger Vorschläge, mittelbar einzuwirken.»[1]
Luzerner für Napoléon in Russland
1812 war ein bewegtes Jahr. Napoléons Russlandfeldzug endete in einer Katastrophe. Seine Armee war im November jenes Jahres von rund einer halben Million Mann auf weniger als 100’000 Soldaten zusammengeschmolzen. An der Beresina, einem Fluss im Westen Russlands, deckten Ende November 1812 vier Schweizerregimenter, von denen ungefähr 1’300 von einmal 8’000 Mann übrig geblieben waren, Napoléons Rückzug. Russische Truppen griffen an, um zu versuchen, ihren Gegnern den Rückzug abzuschneiden. «Obschon hunderte von Toten und Verletzten herumlagen, waren die Reste der Grossen Armee am 29. November … vor der völligen Zerschlagung bewahrt worden. Nur 300 Schweizer traten [nach der Schlacht] zum Appell an.» Das Beresinalied erinnert bis heute an das Opfer der Schweizer fern der Heimat an der Beresina.[2] Das Historische Museum Luzern erinnerte 2012 mit einer Ausstellung daran und dokumentierte dabei auch das Schicksal einiger Luzerner, die an der Beresina in fremden Diensten kämpften.
[1] Blaser S. 7–9 · [2] HLS online
Curieuses Natur-Kunst-Gewerck- und Handlungs-Lexicon · Wikimedia Commons · Enzyklopädien entwickelten sich während dem Zeitalter der Aufklärung zu einem wichtigen Instrument des Fortschritts und einer gesamteuropäischen Bildungsoffensive.
Vorgeschichte
Die Aufklärung, die das 18. Jahrhundert beherrschende geistige Strömung, hatte auch im Patriziat und gebildeten Bürgertum Luzerns viele Anhänger. Die Errungenschaften der Französischen Revolution, des napoléonischen Frankreichs und des Josephinismus in Österreich wurden bewundert. «Der Optimismus der Aufklärung, der glaubte, ein genügend aufgeklärtes Volk werde auch ohne weiteres nach der verheissenen Glückseligkeit streben, hatte allen kulturellen Bestrebungen in Luzern einen mächtigen Auftrieb gegeben».[1]
«Als sich in der [von Napoléon vermittelten] Mediationszeit das politische Klima wieder etwas beruhigt hatte und man daran gehen konnte, das durch die Revolutionsjahre aus den Fugen geratene Staatswesen zu festigen, die zerrütteten Finanzen zu sanieren und der überall sich zeigenden Not zu begegnen, waren es … die Männer der Aufklärung, die sich den Kampf gegen die Armut zum Ziele setzten … Der luzernische Boden war daher durch die Aufklärung gut vorbereitet, als durch die 1810 gegründete Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft der Anstoß zur Gründung einer Luzerner Lokalsektion erfolgte.»[2]
[1] Blaser S. 5 · [2] Blaser S. 7
Quellen: [Blaser] Robert Blaser und Firtz Blaser · Geschichte der Gemeinnützigen Gesellschaft der Stadt Luzern 1812–1962 · 2. unveränd. Auflg. · 2011 · [Hangartner] Urs Hangartner · Geschichte der Gemeinnützigen Gesellschaft der Stadt Luzern 1962–2012 · 2011 · [Steiner] Alois Steiner · Josef Martin Knüsel · Der vergessene Luzerner Bundesrat · 2015 · [Schumacher] Beatrice Schumacher · Kleine Geschichte der Stadt Luzern · 2015 · [2012] GGL-Geschäftsbericht 2012 · [2013] GGL-Geschäftsbericht 2013 · [2014] GGL-Geschäftsbericht 2014 · [2015] GGL-Geschäftsbericht 2015 · [2016] GGL-Geschäftsbericht 2016 · [Wikip] Wikipedia · Die freie Enzyklopädie · de.wikipedia.org · [Wikim] Wikimedia Commons · commons.wikimedia.org · [HLS] Historisches Lexikon der Schweiz · hls-dhs-dss.ch