Krise und Neuordnung
Die Tätigkeit der ‹Gemeinnützigen› wurde 1814 noch stärker als im Vorjahr von den Krisen und Kriegen in Europa eingeschränkt:[1] In der Schlacht von Paris unterlag Napoléon und musste auf die Insel Elba ins Exil und ermöglichte in Frankreich die Rückkehr der Bourbonen auf den Thron. In Luzern stürzten Patrizier die liberale Regierung und übernahmen die Macht. Die Separation von Kanton und Stadt wurde verringert, aber nicht aufgehoben. Mit dem Reglement für die Bürgergemeinde erhält die Stadt ihre erste schriftliche Verfassung. In der österreichischen Hauptstadt begann der Wiener Kongress mit Vertretern aus ganz Europa, um eine neue Friedensordnung für Europa zu finden. So kamen durch Beschluss der europäischen Mächte am Wiener Kongress neue Kantone zur Schweiz: das Wallis, Neuenburg und Genf, das Veltlin jedoch ging verloren und der katholische Jura wurde dem protestantischen Bern zugeschlagen.[2]
Lage der gemeinnützigen Hülfsgesellschaft (HG)
«Im Sommer 1814 erkundigte sich Präsident Hirzel der [Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft] SGG bei Schultheiß Keller nach der Luzerner [Hülfsgesellschaft] HG. Keller teilte ihm mit, daß die Luzerner HG schon lange untätig sei. «Ich hoffe aber, daß bey der neuen Ordnung der Dinge sich Männer zeigen werden, die mit Freuden zur Wiederherstellung dieser Gesellschaft oder zu Errichtung einer neuen Hand biethen werden. Auch werden veränderte Verhältnisse gewiß die meisten Mitglieder der SGG nicht abhalten, an diesem so wohltätigen Institut den wärmsten Anteil zu nehmen, sondern sie werden vielmehr, ich zweifle nicht daran, es sich zur Freude und Pflicht machen, so viel ihnen Zeit und Geschäfte gestatten, zu dem edlen Zwecke mitzuwirken.» Schultheß Keller … ging mit Energie an die Wiederbelebung der HG. Seine Hoffnung erfüllte sich: die Männer fanden sich, der Ortsverein der luzernischen Mitglieder der SGG stellte sich zur Verfügung. Ebenso fand Keller im Kreise des Trokenbundes, eines 1805 gegründeten … geselligen Kreises, opferbereite Helfer …»[3]
Luzerns ‹alte› Gemeinnützige Gesellschaft
Während die HG infolge der politischen Ereignisse zur Untätigkeit verurteilt war, entstand in Luzern ein Verein, der sich den Namen Gemeinnützige Gesellschaft gab. Am 24. November 1814 versammelten sich in der Wohnung von Felix Balthasar (1794–1854), dem späteren Regierungsrat und Stadtpräsidenten von Luzern eine Anzahl jüngerer Aristokraten, welche die «Bildung eines gesellschaftlichen Vereins zum Nutzen und zur Unterhaltung» beschlossenen. Zum vorläufigen Präsidenten wurde Josef Frz. Lorenz Segesser (1780–1849), zum Sekretär Kasimir Pfyffer ernannt und den beiden der Auftrag zur Ausarbeitung von Statuten erteilt…[4]
Die Zweckbestimmung des Vereins: «Wechselseitige Ausbildung der Glieder desselben untereinander und in der Folge bey zunehmendem Wasthum ihrer physischen und moralischen Kräfte Beförderung des gemeinen Nutzens.» Um diesen Zweck zu erreichen, sah man vor: «nützliche Unterhaltung in Künsten, Wissenschaft und Industrie, Anlegung eines Naturalien- und Kunstkabinetts.»[5]