Pfandleihanstalt nimmt Betrieb auf
Im Jahr 1882 hatte die ‹Luzerner’sche Pfandleihanstalt› ein ‹Ende mit Schrecken› genommen. Pfandleihen unter öffentlicher Aufsicht war im Kanton Luzern nicht mehr möglich. Die Polizei hatte sich in der Folge mit zahlreichen ‹Winkelanstalten› zu befassen, deren Geschäftsgebaren jeder Beschreibung spottete. Missbräuche waren an der Tagesordnung. So wurde den wenigsten Schuldnern für ihre Pfänder Empfangsscheine übergeben, fingierte Käufe wurden abgeschlossen, kurzum: «Die armen Geldbedürftigen, die in der Noth bekanntlich alles unterschreiben, wurden in frecher Weise ausgebeutet und der Wucher ungenirt betrieben» (nach einem zeitgenössischen Bericht). Die Gemeinnützige Gesellschaft der Stadt Luzern (GGL) entschloss sich deshalb, eine eigene Pfandleihanstalt zu gründen. Diese nahm mit der notwendigen regierungsrätlichen Bewilligung am 1. November 1886 ihren Betrieb auf.[1]
Echtes Bedürfnis
Wie sehr diese Institution einem Bedürfnis entsprach, beweist die Tatsache, dass bereits im ersten Geschäftsjahr 1’845 Darlehen im Betrag von rund 60’000 Franken gewährt wurden (Luzern zählte damals rund 20’000 Einwohner). Das Bedürfnis war unbestritten, der Betrieb hingegen nicht einfach und ein Zuschussgeschäft. Schon im ersten Jahresbericht wurde festgestellt, die Pfandleihanstalt biete auch «bei den bescheidensten Ansprüchen keine Existenz». Die Betriebsergebnisse blieben unbefriedigend und auch die zwielichtigen ‹Winkelanstalten› trieben noch für einige Jahre ihr Unwesen.[2]
Soziale Hilfeleistung
Die Belehnung von Versatzpfändern gehört zu den ältesten Formen sozialer Hilfeleistung. Pfandleihanstalten gab es schon im Mittelalter. Das soziale und karitative Element kommt auch in der italienischen ‹monte die pietà› und in der französischen Bezeichnung ‹mont de piété› zum Ausdruck. Das Versatzpfand hat gegenüber dem Almosen und der öffentlichen und privaten Unterstützung verschiedene Vorteile: Es ist die letzte Selbsthilfe in in einer Notsituation und der Selbsterhaltungstrieb wird nicht geschwächt, sondern gestärkt. Es kann Hilfe an Leute gewährt werden, die in einer vorübergehenden Notlage sind und die eine andere Hilfe ablehnen würden oder eine solche nicht erhielten. Für den Pfandnehmer besteht der Vorteil darin, dass er mit wenig Aufwand viel Not beheben kann, da ja keine ‹À-fonds-perdu›-Beiträge, sondern Darlehen gegen Sicherstellung gegeben werden. Aber es besteht auch die Gefahr scheinbarer oder wirklicher Ausnutzung einer Notlage, wenn der Pfandnehmer einen normalen Geschäftsgewinn erzielen will. Je kleiner die Darlehen sind, desto grösse die Umtriebe – im Verhältnis zum Darlehen – sind notwendig.[3]
Ein ‹Sorgekind›
Die GGL verstand die Pfandleihanstalt als gemeinnütziges Werk, das mit ihren Zielen vereinbar war. Sie wurde indessen nicht eng geführt und kontrolliert. Die anfallenden Kosten waren zwar ärgerlich, aber verschmerzbar. Irgendwie hatte man sich an das ‹Sorgenkind› gewöhnt und war letztlich doch stolz auf die Bank der kleinen Leute, wo man den hochwertigen Diamanten, den Ehering, den teuren Pelzmantel oder auch Haushaltgegenstände belehnen konnte.[4]