Kornkrise
Nach der schlechten Ernte des Jahres 1853 erreichten die Preise für Kernen und Brot ein beunruhigend hohes Niveau und waren fast so hoch wie im Krisen-und Kriegsjahr 1847. In der Stadt Luzern, wo die Selbstversorgung mit Lebensmitteln kaum eine Rolle spielte und die Menschen deshalb stärker als auf dem Lande unter den hohen Preisen litten, wurde die Lage schon im Winter 1853/54 kritisch. Die Angst vor einer erneuten Teuerung ging um und schlug in Aggressionen gegen Kornhändler, Bäcker und Politiker um. Am Vorabend des Wochenmarktes vom 5. September 1854 versammelten sich 200 bis 300 Unzufriedene auf der Schützenmatte und klagten lautstark über die ‹Kornwucherer› und verlangten ‹wohlfeileres› Brot. Am folgenden Tag weiteten sich die Unruhen aus. Dank eines grossen Polizeiaufgebotes und der persönlichen Intervention von Polizeidirektor Josef Martin Knüsel [des späteren Bundesrates und Präsidenten der Gemeinnützigen Gesellschaft der Stadt Luzern] konnten ernsthafte Auseinandersetzungen verhindert werden. Diese mutige Haltung blieb nicht unbemerkt. Bei den Nationalratswahlen vom Herbst 1854 wurde der umsichtige Luzerner Regierungsrat als Nationalrat ins eidgenössische Parlament gewählt.[1]
Wiederbelebung
Die Kornkrise von 1854 machte deutlich, dass es auch künftig der Gemeinnützigkeit bedurfte, um bei Härtefälle und Schicksalsschläge Beistand zu leisten. Der zur Wiederbelebung der Luzernischen Abteilung der SGG notwendige Anstoss erfolgte an der Tagung der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft in Liestal 1854. Dort wurde Luzern als Tagungsort für 1855 bestimmt und Nationalrat Dr. Kasimir Pfyffer zum Jahrespräsidenten der SGG für 1855 gewählt. Pfyffer lehnte aber die Wahl ab mit der Begründung, «daß Luzern dermalen nicht in der Verfassung sich befinden dürfte, das Direktorium der SGG zu übernehmen. So viel mir bekannt, existiert gar keine Organisation, und eine solche herzustellen, dürfte eine schwierige Arbeit sein.»[2]
Neue Gemeinnützige Gesellschaft der Stadt Luzern
Schlussendlich fiel die Wahl auf Seminardirektor Franz Dula (1814–1892). Noch im November 1854 wurden die entscheidenden Schritte zur Reorganisation des Luzerner Zweiges der SGG eingeleitet. Die Luzernische Abteilung der SGG beschloss die Gründung einer eigenen städtischen gemeinnützigen Gesellschaft. An einer gut besuchten Versammlung am 11. November 1854 stimmten die Anwesenden diesem Vorhaben zu und gaben der neuen Gesellschaft den Namen Gemeinnützige Gesellschaft der Stadt Luzern (GGL). Das Fundament zur Neugründung wurde am 21. Dezember 1854 gelegt mit der Annahme der Statuten und der Wahl der weiteren Vorstandsmitglieder: gewählt wurden L.R. Meyer als Kassier und Prof. J. Pfister als Aktuar.[3] Bereits in dieser ersten Sitzung stand das Thema der Volksbildung zur Diskussion, zu dem in den Folgejahren eine grosse Zahl an Bildungs-Initiativen und -Vorstössen der GGL erwachsen würde[4]. Unter dem Eindruck der Kornkrise wurde zudem das Thema des Armenwesens eingehend behandelt und als traditioneller Schwerpunkt der gemeinnützigen Tätigkeit bestätigt.[5] 42 Mitglieder traten der GGL bei der Neugründung bei[6]. Als Grundlage für ihr Aktionsprogramm übernahm die GGL das Programm der SGG, nämlich «…die Interessen der Volkserziehung, des Gewerbefleißes und der Armenpflege in Beratung zu ziehen und nach Kräften zu fördern.»[7]