‹Business as usual›
Noch liessen die grossen Taten auf sich warten. Trotz guter Ideen gediehen die angedachten grossen Projekte nie über das Planungsstadium hinaus. Letztlich ausschlaggebend dafür waren die beschränkten (knappen) Mittel. Man wollte nicht alles auf eine Karte setzen und versuchte, die laufenden Verpflichtungen ohne Substanzverluste zu decken.[1]
Dank der in den Vorjahren durchgeführten Aktionen zur Mitgliederwerbung belief sich der Mitgliederbestand der Gemeinnützigen Gesellschaft der Stadt Luzern (GGL) Mitte der 1960er Jahre auf rund 600 Personen. Der Jahresbeitrag wurde der 1960er Jahre nach langer Diskussion von 3 auf 4 Franken erhöht. Jedes Jahr wurden rund fünfzig Unternehmen in der Stadt Luzern und in der Agglomeration um Spenden angegangen. Besonders die Firmen Viscose AG, Gebr. Ackermann AG in Entlebuch, Baumaterial AG Luzern, Brauerei Eichhof und Bucherer AG Luzern zeigten ein offenes Ohr und überwiesen regelmässig jährliche Beiträge in Höhe von 50 bis 200 Franken. Jedes Jahr kamen so zwischen 1’500 und 2’500 Franken in die Kasse der GGL. Das Modehaus De Boer stellte über Jahre Lebensmittelgutscheine im Betrag von 2’000 Franken zur Verfügung, die jeweils als Weihnachtsgabe an rund 50 Familien verteilt wurden. Die Treuhandfirma Züsli & Morf verzichtete auf die Rechnung für die Revision einer Stiftung. Zusammen mit den Kapitalerträgen verfügte die GGL daher in diesen Jahren über ausreichend Geld für ihre laufende Fürsorgetätigkeit. Dazu gehörten unter anderem die monatliche Abgabe von rund 250 bis 300 Lebensmittelgutscheinen im Betrag von 10 bis 40 Franken an nicht armengenössige Einzelpersonen und Familien, von rund 50 Gutscheinen für Heizmaterial und bis zu hundert Barunterstützungen zwischen 10 und 100 Franken. Zudem wurden – neben der Einzelhilfe – jeweils Stipendien an Studenten und Lehrlinge im Gesamtbetrag von 1’000 bis 5’100 Franken und diverse, zum Teil grössere Beiträge für kulturelle Zwecke bewilligt. Dazu gehörte zum Bespiel die Unterstützung der Stadtmusik oder der Pfadi Musegg, die im Jahr 1963 je 2’000 Franken erhielten.[2]
Die Gutscheine für Lebensmittel und Heizmaterial sowie die Barunterstützungen erscheinen aus heutiger Sicht eher bescheiden, waren aber für die Empfänger oft eine grosse Erleichterung. Im Jahresbericht 1965 schrieb Verwalter Edy Camenzind: «Es ist doch sehr erstaunlich und auch betrüblich, dass in einem so reichen Land wie der Schweiz nach zwanzig Jahren Hochkonjunktur nicht wenig alte Leute in Armut oder hart an der Grenze der Armengenössigkeit leben.»[3]
Trenzen-Stiftung – Mittel für grosse Taten
Obwohl die GGL Jahr für Jahr ihrem gemeinnützigen Auftrag nachkam und vielen Menschen in Not helfen konnte, waren die Mitglieder des Ausschusses unzufrieden. Für die grosse Tat fehlte das Geld. Verwalter Edy Camenzind glaubte zu wissen, woran es lag. Mehrmals beklagte er sich in den Jahresberichten über die ausbleibenden Vermächtnisse und Legate: «Wenn man die Jahresberichte anderer gemeinnütziger Gesellschaften liest, die immer wieder testamentarische Vermächtnisse erwähnen, scheint die GGL seit dem Ableben unseres hochverehrten und unvergesslichen Gönners, Dr. L.F. Meyer, von den Luzerner Advokaten in Vergessenheit geraten zu sein … Wäre vielleicht einmal ein Zirkular an alle Anwälte der Stadt Luzern in Erwägung zu ziehen?»[4]
Elf Jahre nach ihrem Mann verstarb im April 1965 Christine Trenzen-Ludwig. Carl und Christine Trenzen-Ludwig waren heimatberechtigt und wohnhaft gewesen in Luzern. Sie vermachten ihr Vermögen von rund 1 Million Franken der GGL bzw. der zu errichtenden Trenzen-Stiftung. Zweck der Stiftung ist die Unterstützung von Hilfsbedürftigen, die Fürsorge für unverschuldet in Notlage geratene Personen, insbesondere für verschämte Arme und für elternlose Kinder. Die neue Stiftung und deren erhebliche finanzielle Möglichkeiten veranlassten den Ausschuss zu einer Diskussion über Aufgaben und Zweckverfolgung der GGL. Er kam zum Schluss, dass die Gesellschaft nun in der Lage wäre, eine Liegenschaft in der Stadt Luzern zu erwerben und diese gemeinnützigen Zwecken zuzuführen. Die Einzelunterstützungen und die Stipendien sollten wie bis anhin weiter ausgerichtet werden. In der Folge stiegen zunächst vor allem die Vergaben für kulturelle Zwecke. Dafür wurden 1968 total 12’038.50 Franken aufgewendet, 1969 waren es bereits 50’000 Franken.[5]