Die Ära Kurzmeyer-Studer geht weiter
Eine Ära geht zu Ende und doch nicht: Franz Kurzmeyer übergibt die Leitung der GGL an Urs W. Studer. Der Kurs der Gesellschaft wird bleiben. In Not geratene Menschen können sich weiterhin auf die Unterstützung der GGL verlassen. Neben dem sozialen Engagement will auch der neue Präsident Akzente in der Kulturförderung setzen. Die 202. Generalversammlung der Gemeinnützigen Gesellschaft der Stadt Luzern (GGL) wird in die Geschichte des Traditionsvereins eingehen. Im Hotel Schweizerhof in Luzern übergibt Franz Kurzmeyer sein Präsidium an Urs W. Studer. Was bereits an den Gerichten Luzerns begann und beim Stadtpräsidium weiterging, findet seine Fortsetzung bei der Gemeinnützigen Gesellschaft. Die Ära Kurzmeyer-Studer geht weiter. Bleibt alles wie bisher oder setzt der neue Präsident andere Akzente? Ein Interview mit den beiden langjährigen Freunden, geführt in der Geschäftsstelle der GGL an der Münzgasse in Luzern, gibt Antworten.
Franz Kurzmeyer, Sie arbeiten seit 1974 im Vorstand der GGL mit und präsidierten diesen traditionellen Verein ab 1990 24 Jahre lang. Was verbindet Sie mit der GGL?
Franz Kurzmeyer: Mein Vater, Werner Kurzmeyer, war schon Präsident der GGL, von 1954 bis 1982. Ich kam somit sehr früh in Kontakt mit unserer Gesellschaft. Bereits in jungen Jahren nahm er mich ab und zu an Sitzungen mit. Ich erhielt dadurch Einblicke in die damaligen Themen und Aktivitäten unseres Vereins. Ich lernte auch alle seine wichtigen Freunde kennen, deren Persönlichkeit mich prägte. Neben Franz Wangler und Eduard Camenzind erinnere ich mich besonders an Walter Jäger und Rudolf Grumbacher.
Die GGL bedeutet mir sehr viel. Ich möchte dazu vor allem zwei Punkte erwähnen. Es tut gut, wenn einem die Möglichkeit gegeben ist, Gutes zu tun. Die GGL gab und gibt mir diese wunderbare Gelegenheit. Zudem durfte ich diese Aufgabe im Kreise von Freunden und Freundinnen erfüllen. Unsere Gesellschaft besteht aus rund 300 Mitgliedern, zu denen ich einen freundschaftlichen Bezug habe. Ich durfte diesen Kreis von Freunden ganz unabhängig von deren parteilichen Herkunft aufbauen.
Urs Studer: Mir geht es gleich wie Franz. Auch ich schätze diesen Kreis an liberal denkenden Menschen sehr. In diesen Kreis brachte mich Franz. Er förderte mich auch väterlich im beruflichen Umfeld am Amtsgericht, am Obergericht, schliesslich auch auf meinem Weg ins Stadtpräsidium, als sein Nachfolger.
Ich bin glücklich, dass es die GGL gibt. Als Stadtpräsident sah ich viele soziale Notsituationen, gerade auch im Zusammenhang mit kulturellem Engagement. Aufgrund ihrer Leidenschaft beuten sich viele Kulturschaffende selber aus und sind nicht in der Lage, ihr Leben finanziell zu meistern. Hier kann die GGL zum Beispiel helfen.
Franz Kurzmeyer: Wenn wir wollen, dann können wir viel Not lindern, dank der Mittel der GGL, dank jener Menschen, die uns ihre Mittel zukommen liessen, um Gutes zu tun.
Urs Studer: Genau. Diesen Menschen verdanken wir unsere Stiftungen. Diese Mittel sind notwendig, um Menschen in Not in unserer Region zu helfen, in einer Zeit, in der der Abbau staatlicher Unterstützung droht. Aber nicht nur das Stiftungsgeld nützt, sondern auch das persönliche Engagement unserer rund 300 Mitglieder.
Die GGL wurde vor 202 Jahren gegründet, damals als ‹Hülfsgesellschaft›. Welche Bedeutung hatte der Verein damals, welche heute?
Franz Kurzmeyer: Im 19. Jahrhundert hatte unsere Gesellschaft eine sehr grosse Bedeutung. Luzerner Persönlichkeiten nahmen sich in einer schwierigen Zeit der prekären Lage der Armen an. Ich erinnere besonders an unseren Gründer, an den damaligen Stadtpfarrer Thaddäus Müller. Unter anderem nahm sich der Verein der Kinder straffälliger Frauen an und platzierte diese in Familien. Die damals gut gemeine Hilfestellung erwies sich teilweise als falsche Massnahme. Heute geht die Gesellschaft solche Herausforderungen anders an.
Urs Studer: Wir müssen uns vor Augen halten, dass die damalige Schweiz sehr arm war. Es gab keine sozialen Netzwerke. Unsere Gründer sahen diesen Mangel und gründeten unsere Gesellschaft. Sie zeigten sich solidarisch mit den Armen. Zudem: Damals bestand die allgemeine Schulpflicht noch nicht. Es erstaunt nicht, dass unseren Gründern Heinrich Pestalozzi als Vorbild diente.
Franz Kurzmeyer: Und heute? – Dank guter Kontakte und guter Organisation haben wir die Möglichkeit, vielen zu helfen. Wir können 300‘000 bis 400‘000 Franken einsetzen, zur Hauptsache für soziale und kulturelle Hilfe. Dazu kommt unsere wichtigste Tochter, das Altersheim Landgut Unterlöchli.
Die GGL war mal stramm liberal, freisinnig. Heute steht der Verein für eine offene Gesellschaft und hat fast keinen parteipolitischen Bezug mehr. Diese Entwicklung hat Ihre Amtszeit geprägt.
Franz Kurzmeyer: Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein war die GGL eine parteipolitisch liberale Gesellschaft. Diese Ausrichtung hat sich in den letzten Jahrzehnten verändert. Jetzt sind wir ein Verein mit liberal denkenden Persönlichkeiten – fortschrittliche, offene Menschen. Diese sind uns wichtig. Daher suchen wir unsere Mitglieder selber und berufen sie in unseren Kreis.
Diese Öffnung der GGL prägte sicher meine Präsidialzeit. Ebenso, als zweiten Akzent, unsere Hilfe im kulturellen Bereich. Die GGL engagierte sich von Anfang an sozial, auch heute noch natürlich. Wir mussten aber feststellen, dass sich viele Kulturschaffende so engagieren, dass sie oft in finanzielle Schwierigkeiten geraten oder ihre wertvollen Werke nicht vollenden können. Daher setzen wir seit mehreren Jahren mit der Unterstützung von Künstlerinnen und Künstlern neben der sozialen Hilfe einen zweiten Akzent. Passend zur Unterstützung Kulturschaffender schufen wir in meiner Zeit auch einen Kunstfonds. Leider mussten wir aber die Pfandleihanstalt, die hier in unserem Haus Münzgasse 5 war, aufheben. In der heutigen Zeit ist diese Form der temporären Geldbeschaffung in Notfällen nicht mehr gefragt.
Urs Studer, Sie werden an der GV der GGL zum Nachfolger von Franz Kurzmeyer gewählt. Wohin geht die Reise der GGL unter Ihrem Präsidium?
Urs Studer: Schon 1996, als ich als Nachfolger von Franz das Stadtpräsidium übernehmen durfte, wusste ich, dass ich den von ihm eingeschlagenen Weg weitergehen will. Diese Erfahrung lenkt meinen Kurs auch jetzt bei der Nachfolge ins GGL-Präsidium. Die GGL ist gut aufgestellt: inhaltlich, organisatorisch, finanziell. Trotzdem: Unsere Gesellschaft lebt ja vom Vermächtnis grosszügiger Menschen. Es wäre schön, wenn auch künftig uns nahestehende Personen in ihrem Vermächtnis an die GGL denken würden. Ich bin überzeugt, dass wir mit ihren Mitteln vielen Menschen helfen können.
Für mich beginnt nun ein neues Kapitel. Ich muss mich noch etwas in die Dossiers einarbeiten. Während meiner Zeit als Stadtpräsident fehlte mir dazu oft die Zeit. Beim Unterlöchli, dessen Trägerschaft ich auch präsidieren darf, war das anders. Unser Altersheim kannte ich bestens als langjähriges Vorstandsmitglied sowie als Heimvorsteher, vor meiner Zeit als Stapi.
Ich bin froh, dass ich auch als Präsident der Weihnachtsaktion der ‹Neuen Luzerner Zeitung› Wissen und Erfahrungen sammeln darf, die ich nun gut einsetzen kann. Ich kann nun in beiden Organisationen von der guten Zusammenarbeit zwischen den öffentlichen und privaten Hilfsorganisationen profitieren.
Wie zeigt sich denn dieses gute Zusammenarbeit?
Franz Kurzmeyer: Wir profitieren von guten Kontakten zur Stadt, aber auch zum Kanton. Oft waren Mitglieder des Stadtrates und des Regierungsrates in den Gremien der GGL.
Urs Studer: Ich kann das nur bestätigen: Die Zusammenarbeit ist gut bei der Unterstützung Bedürftiger. Auch wenn das Netz der staatlichen Hilfe stärker und enger geknüpft wurde, die private Hilfe braucht es weiterhin. Zu oft fallen immer noch Menschen durch die Maschen staatlicher wie auch privater Hilfsangebote.
Franz Kurzmeyer: Die öffentlichen Organisationen kennen uns und nehmen mit uns im Einzelfall Kontakt auf. Im Jahr halfen wir in rund 300 Fällen, immer unter dem Motto: Tu gutes und sprich nicht darüber …
Urs Studer: … dies wollen wir nun etwas ändern. Wir wollen uns öffnen und zeigen, wo die GGL hilft. Zum Beispiel im Geschäftsbericht, den wir im vergangenen Jahr neu gestaltet haben und der unseren Mitgliedern und interessierten Kreisen Einblicke in unsere Arbeit vermittelt.
Franz Kurzmeyer, Ihre Agenda war in den vergangenen Jahren von Ihren Aktivitäten im Unterlöchli und für die GGL geprägt. Wie sieht Ihr Tag nach dem 3. Juni aus?
Franz Kurzmeyer: Vorerst möchte ich an dieser Stelle allen danken, die mich bei meinen Tätigkeiten im Unterlöchli und für die GGL so toll unterstützt haben: den beiden Vorständen, den Ausschüssen, besonders Heidi Somm, Antoinette Gnos, Isolde Bühlmann und Heidy Steffen sowie den Finanzchefs Hans Gisler und Markus Aeberhard.
Ich bleibe aber mit der GGL weiterhin als Mitglied verbunden. Ich habe alle meine Ämter abgegeben, ausser meinen Sitz in der Stiftung der Sammlung Rosengart. Somit habe ich nun viel Zeit zum Lesen. Ich will viel lesen, vor allem über die Weltgeschichte. Ich kann mir jetzt ein ganz wenig einen alten Wunsch erfüllen. Schliesslich wollte ich einmal Geschichtslehrer werden.
Interview: Niklaus Zeier[1]
Seit 1979 ist Urs W. Studer Mitglied der GGL. 1993 wurde er als Aktuar in den Vorstand gewählt. Ab 1990 unterstützte er als Vizepräsident den Vorsitzenden. Urs W. Studer gehört zudem dem Vorstand der Gesellschaft Altersheim Unterlöchli vor. Von 1987 bis 1996 war er Heimvorstand. Seit 2012 präsidiert er diese Gesellschaft.[2]
Seit 1974 arbeitete Franz Kurzmeyer im Vorstand der GGL mit und amtet seither als Präsident der Hugo und Annie Grün-Stiftung. 1990 wählte ihn die GV zum Präsidenten der GGL und all ihrer Stiftungen, als Nachfolger von Hans L. F. Meyer. An der GV 2014 tritt er als Präsident zurück. Von 1987–2012 stand Franz Kurzmeyer als Präsident der Gesellschaft Altersheim Unterlöchli vor.[3]
Das Geschäftsjahr 2013
Vorstand, Ausschuss, Präsident und Geschäftsstelle behandelten 331 Fälle, die uns als Gesuche unterbreitet wurden. 271 durften wir positiv beantworten und den Gesuchstellenden mit unseren Mitteln helfen. 57 Fälle mussten wir leider ablehnen. 2013 zählte die GGL 352 Mitglieder (inkl. 15 Neumitglieder). Leider mussten wir auch im vergangenen Jahr von lieben treuen Mitgliedern Abschied nehmen. Ein grosser Verlust für Luzern ist zweifelsohne der Hinschied von Dr. h.c. Alfred Waldis, dem Vater des Verkehrshauses. Der bedeutende Schulmann und Rektor Albin Ruf hat uns ebenfalls verlassen. Von uns gegangen ist auch Bruno Zeyer und die liebenswürdige Linel Fischer, die ihrem Gatten Hanspeter Fischer nachgefolgt ist. Annemarie Bielmann, wie ihre Schwester Gertrud Bielmann eine grosse Wohltäterin unserer Gesellschaft hat leider auch das Zeitliche gesegnet.[4]