Förderung des Gewerbes
Im Juli 1879 wurde in Luzern die Zentralschweizerische Kunst- und Gewerbeausstellung durchgeführt. Zur Eröffnung dieser Leistungsschau hielt Josef Martin Knüsel eine wegweisende Rede zum Stand der luzernischen und innerschweizerischen Volkswirtschaft. Analog zur Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG) wählte auch die Gemeinnützige Gesellschaft der Stadt Luzern (GGL) das Thema: ‹Die Hebung des inländischen Gewerbes›. Der Redner stellte anlässlich der Eröffnung die betrübliche Tatsache fest, dass manches Handwerk und das Kleingewerbe durch den Gross- und Fabrikbetrieb in eine fatale Stellung geraten seien. Knüsel bemängelte bei den Kleingewerblern die fehlenden Maschinen, um sich gegenüber den Produkten der Grossindustrie wieder konkurrenzfähig zu machen. Der Redner wies insbesondere darauf hin, die Maschinenindustrie habe in den letzten Jahren Erstaunliches geleistet, dem Kleingewerbe passende Maschinen zur Verfügung zu stellen, um sich damit der Konkurrenz der Grossindustrie zu erwehren. Insbesondere beklagte er den überhandnehmenden Protektionismus, der in verschiedenen Ländern Europas eingeführt werde und den langgehegten Freihandel immer mehr ablöse.[1]
Ein ganz spezielles Lob spendete Knüsel dem Handwerker, wenn er mit Fleiss und Ausdauer auf die möglichste Vervollkommnung seiner Produkte hinarbeite. Er ermunterte seine Zuhörer, auf die Bemerkungen der schweizerischen Mitglieder der internationalen Jury der letzten Pariser Ausstellung zu hören, die Erfahrungen dieser Ausstellung auf schweizerische Betriebe zu übertragen und dadurch der Konkurrenz des Auslandes gut zu begegnen. Vor allem legte der Redner den Finger auf die Notwendigkeit, weiterführende Schulen für den Handwerkerstand anzubieten: «Wir dürfen nicht verhehlen, dass wir in der Innerschweiz gegenüber den fortgeschrittenen Kantonen noch zurück sind und noch viel zu tun übrig bleibt, um andere Kantone nur annähernd einzuholen, geschweige ihnen zuvorzukommen». Die Eidgenossenschaft hat 1855 das Polytechnikum in Zürich eröffnet und damit eine Pioniertat von aussergewöhnlicher Tragweite geschaffen.[2]
Knüsel erinnerte daran, dass in mehreren Städten sogenannte Gewerbemuseen geschaffen worden seien, d.h. Muster- und Modellsammlungen, deren Benutzung «Styl und Kompositionen der betreffenden Arbeiter vervollkommnen sollen.» Auch erwähnte er die neu errichteten Techniken, die in den letzten Jahren errichtet worden waren. (Winterthur, Burgdorf etc.) Als besonderes Beispiel wies er auf Württemberg hin. In diesem Staat habe die gute Schule und das ‹Meisterlager› in Stuttgart, welches dem ganzen Lande zugänglich ist, für den gewerblichen Aufschwung Wunder gewirkt und Segen und Wohlstand gebracht. «Ein bescheidener Anfang ist in jüngster Zeit mit der Kunstgewerbeschule in Luzern gemacht worden, der wir die grösste Aufmerksamkeit schenken sollten. In der Innerschweiz sollte ein mustergültiges Lehrlingswesen geschaffen werden: Schule und Werkstatt müssen sich ergänzen. So notwendig die Schule auch ist, sie allein reicht nicht, denn eine Handwerksgeschicklichkeit kann nur in der Werkstatt erworben werden.»[3]
Scharfe Kritik übte Knüsel an dem Prestigeverhalten vieler Eltern, die für ihre Söhne eher einen Posten als Schreiber oder Commis-Voyageur anstreben, statt sie eine Handwerkslehre absolvieren zu lassen: «Ein einfältiger Stolz lässt viele Eltern das Handwerk als Büttel der menschlichen Erwerbstätigkeit ansehen, bloss für solche Knaben gut, die wenig Fähigkeit besitzen; den talentvolleren Brüdern lässt man eine gute Sekundarschule geben und ist dann hoch beglückt, wenn der Herr Sohn eine Schreiber- oder Commis-Voyageur-Stelle erhält. Der elendeste Schreiberposten wird dem Handwerk vorgezogen. Es braucht nur noch eine neue Gründerperiode und das Volk wird zur Einsicht kommen, dass das Handwerk immer noch einen goldenen Boden hat.» Knüsel wies zudem auf einige ernste Mängel im Schul- und Berufsbildungswesen hin. Auffallend ist, dass diese Probleme eigentlich erst Jahrzehnte später, vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg angepackt und gelöst wurden.[4]